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Berufsrechtliches Handbuch

Stand: August 2024


5.2.3.3 Hinweise* der Bundessteuerberaterkammer für die Praxisübertragung

-- Aktualisierungen werden farblich (gelb) hinterlegt kenntlich gemacht --

Beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am am 4./5. Juli 2023

* Die Hinweise haben keinen verbindlichen Charakter. Sie sollen zu bestimmten Sachverhalten oder Problemkreisen Anregungen zu eigenverantwortlichen Lösungen geben und somit die Praxisarbeit unterstützen.
Inhaltsverzeichnis
 
1.  Vorbemerkungen
     1.1  Zulässigkeit von Praxisübertragungen
     1.2  Angemessenheit der Übertragungsbedingungen
     1.3  Übernahmeentgelt
     1.4  Verschwiegenheitspflicht
     1.5  Information der Steuerberaterkammer  
     1.6  Information der Mandanten
 
2.  Vertragsverhandlungen und Sicherheit der Verschwiegenheitspflicht
 
3.  Hinweise zur Vertragsgestaltung
     3.1  Konkurrenzklausel
     3.2  Einwilligung des Ehegatten
     3.3  Kaufpreis, Kraufpreisveränderungsklauseln und Zahlungsmodalitäten
     3.4  Schiedsklausel
 
4.  Übergang der Mandate
 
5.  Übernahme laufender Verträge
     5.1  Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse
     5.2  Sonstige Verträge
 
6.  Haftung
     6.1  Haftung gegenüber den Mandanten
     6.2  Haftung gegenüber den Mitarbeitern
     6.3  Haftung gegenüber dem Finanzamt, der Gebietskörperschaft etc.
Anlage: Musterbrief mit Einverständniserklärung

1. Vorbemerkungen

1.1 Zulässigkeit von Praxisübertragungen

Die Übertragung einer Praxis oder eines Teils einer Praxis auf einen anderen Berufsträger gegen Entgelt ist unter berufs- und zivilrechtlichen Grundsätzen grundsätzlich zulässig (§ 28 Abs.1 BOStB). Dagegen ist die entgeltliche Übertragung von Einzelmandaten grundsätzlich nicht zulässig (§ 9 StBerG). Unbedenklich ist die Übernahme von Einzelmandaten gegen Entgelt lediglich dann, wenn die Zahlung freiwillig und ohne vertragliche Verpflichtung, etwa aufgrund kollegialer Rücksichtnahme oder aus Anstandspflicht gegenüber den Erben eines verstorbenen Kollegen, erfolgt.

1.2 Angemessenheit der Übertragungsbedingungen

Die Bedingungen für die Übertragung sollen angemessen sein. Dies bedeutet beispielsweise, dass ein Steuerberater sich nicht auf eine Praxisübertragung einlassen darf, deren Bedingungen seine Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit gefährden. Zur Angemessenheit gehört auch, dass die gegenseitigen Leistungen der Vertragspartner in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und Praxiswert und Kaufpreis einander entsprechen.

1.3 Übernahmeentgelt

Die Höhe des Veräußerungspreises wird vor allem durch den Wert des Mandantenstammes (Streuung, Alter, Umsatz) beeinflusst. Zudem sind für den Praxiswert folgende Kriterien entscheidend: Rentabilität und Standort der Praxis, Übergabegrund, Expansionsmöglichkeiten, Vorhandensein langfristiger Vertragsbedingungen, Überleitungsmöglichkeit durch den bisherigen Inhaber, Übernahme des Mandatsverlustrisikos, Struktur und Qualifikation der Mitarbeiter sowie Ausstattung und Zustand der Praxiseinrichtung.

Bei der Bestimmung der Höhe des Übernahmeentgelts sind die „Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Ermittlung des Wertes einer Steuerberaterpraxis“ hilfreich (siehe Berufsrechtliches Handbuch, II. Berufsfachlicher Teil, 4.2.1).

1.4 Verschwiegenheitspflicht

Aus berufsrechtlicher Sicht ist die Einhaltung der Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 57 Abs. 1 StBerG, §§ 5, 28 Abs. 2 Satz 1 BOStB) das zentrale Problem jeder Praxisübertragung.

Voraussetzung für eine Offenlegung des konkret bestehenden Mandatsverhältnisses ist die vorherige – aus Beweisgründen am besten schriftliche oder in Textform gegebene – Einwilligung des Mandanten (Ein Muster für eine entsprechende Befreiungserklärung findet sich beispielsweise im Handbuch „Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Steuerberatung“ s. dort Arbeitshilfe B2 – 16). Ohne diese darf Dritten – hierzu gehören auch Übernahmebewerber einer Berufspraxis – kein Einblick in die über die Mandanten und die für sie geführten Akten gewährt oder dürfen Mandanten betreffende Akten und Unterlagen an Dritte nicht übergeben werden. Unterlagen zur Praxiswertermittlung dürfen keine Rückschlüsse auf die Mandanten zulassen (§ 28 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BOStB). Auch die bloße Preisgabe der Mandantennamen ist unzulässig.

Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gem. § 57 Abs. 1 StBerG, die sich aus dem grundgesetzlich verankerten Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Mandanten nach Art. 2 Grundgesetz herleitet, lässt eine ausnahmsweise Offenbarung ohne Einwilligung des Mandanten nur dann zu, wenn die Ausnahme gesetzlich oder in der BOStB (vgl. § 5 Abs. 2 BOStB) geregelt ist. Im Unterschied zu den Fällen der Praxisvertretung, -abwicklung oder -treuhandschaft, existiert für den Fall der Praxisübertragung keine gesetzliche Regelung, die eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht zulässt. Vielmehr hebt § 28 Abs. 2 Satz 1 BOStB ausdrücklich hervor, dass die Pflicht zur Verschwiegenheit bei der Übertragung der Praxis in besonderer Weise zu beachten ist. Bereits die Tatsache des Bestehens eines Mandats ist Teil der Verschwiegenheitsverpflichtung des verkaufswilligen Inhabers, die dieser schon bei Anbahnung eines möglichen Praxis-, Praxisanteils- oder Mandatsverkaufs zu beachten hat. Infolgedessen dürfen die bestehenden Mandatsverhältnisse ohne die vorherige Zustimmung des einzelnen betroffenen Mandanten gegenüber dem oder den Kaufinteressenten grundsätzlich nicht offenbart werden. Ein unter Missachtung berufsrechtlicher Verschwiegenheitspflichten geschlossener Praxisübertragungsvertrag ist gemäß § 134 BGB von Anfang an nichtig (erstmals BGH, Urteil v. 11. Dezember 1991, VIII ZR 4/91, NJW 1992, S. 737 ff., sowie BGH, Urteil vom 13. Juni 2001, VIII ZR 176/00, NJW 2001, S. 2462 und zuletzt OLG Hamm, Urteil v. 15. Dezember 2011, 2 U 65/11, NJW 2012, S. 1743, 1744).

Die Vereinbarung einer „rettenden“ salvatorischen Klausel, wonach eine Anfechtung einzelner Regelungen nur zu einer Teilnichtigkeit des Vertrages führt, vermag den Vertrag jedenfalls dann nicht zu retten, wenn das Rechtsgeschäft ohne die nichtige Klausel nicht vorgenommen worden wäre, also die nichtige Regelung für das Rechtsgeschäft von grundlegender Bedeutung ist. Da die Einwilligungen der Mandanten zu Aktenübergabe an den Übernehmer sowie zur Weiterbetreuung durch den Übernehmer diesen maßgeblich für die Übertragung der Kanzlei, aber auch für die Höhe des Übernahmeentgeltes sind ist, wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass eine Erhaltungsklausel den Vertrag nicht retten kann und der Übernehmer infolge der Nichtigkeit bereicherungsrechtlich entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 11. Alt. i. V. m. § 818 BGB Rückabwicklung verlangen kann.

Ein Verzicht auf die Nichtigkeitsfolge ist nicht möglich.

Bereits 1991 hat der BGH (BGHZ 116, 268, XIII ZR 4/91, NJW 1992, S. 737) entschieden, dass die Zustimmung der Mandanten zur Mandatsübertragung weder durch konkludentes Verhalten erteilt, noch aus einem Schweigen des Mandanten auf ein entsprechendes Anschreiben eine konkludente Einwilligung gefolgert werden kann. Dementsprechend reicht auch eine Regelung im Praxisübertragungsvertrag, die vorsieht, dass der Erwerber in die Mandatsverträge eintritt, sofern die Mandanten nicht widersprechen, für das Zustimmungserfordernis nicht aus (OLG Koblenz, Urt. vom 23. Juli 1999, 8 U 2086/98, DStRE Gerling Informationen 2000, S. 555 39).

Lediglich dann, wenn der Erwerber der Praxis schon vor ihrer Übertragung auf anderem Weg in zulässiger Art und Weise Kenntnis von den geschützten Mandantengeheimnissen erhalten hat, ist die Veräußerung einer Steuerberaterpraxis auch ohne die Zustimmung des Mandanten berufsrechtlich zulässig und verstößt nicht gegen die Verschwiegenheitspflicht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erwerber zuvor in der Praxis, die er erwirbt, tätig gewesen ist (BGH, Urteil v. 17. Mai 1995, IX ZR 220/94, DStR 1995, S. 2559). Der Zeitraum einer solchen überleitenden Tätigkeit ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Jedenfalls muss der Erwerber durch seine bisherige Tätigkeit in der Praxis berechtigterweise Kenntnis von diesen Mandanten erlangt haben. Zu beachten ist, dass der Erwerber auch in diesen Fällen aus zivilrechtlichen Gründen die zumindest konkludente Zustimmung der Mandanten benötigt, um ein neues Mandatsverhältnis zu begründen müssen die Mandanten den potenziellen Übernehmer tatsächlich kennengelernt haben.

Wird die zu übergebene Praxis in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft oder Partnerschaftsgesellschaft geführt (Sozietät), kommt (übergangsweise) eine Erweiterung der Sozietät in Betracht. Dies gilt auch für andere Rechtsformen einer Berufsausübungsgesellschaft. Bei Veränderungen innerhalb einer Berufsausübungsgesellschaft, z. B. durch Ausscheiden eines Partners und Eintritt eines anderen Partners, bedarf es weder aus berufsrechtlichen noch aus zivilrechtlichen Gründen der Zustimmung der Mandanten. Auch in diesen Fällen ist eine vorherige Zustimmung der Mandanten nicht erforderlich. Wenn Mandanten, die eine Berufsausübungsgesellschaft Sozietät beauftragt haben, müssen sie mit Veränderungen der Sozietätsverhältnisse rechnen (BGH, Urteil vom 13. Juni 2001, VIII ZR 176/00, NJW 2001, S. 2462 zur Sozietät; Kuhls u. a., Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 34. Auflage, § 57, Rdnr. 2932).

Dagegen gilt das Zustimmungserfordernis bei der Einbringung bzw. Umwandlung einer Einzelkanzlei in eine Sozietät. Wenn ein bisher in Einzelpraxis tätiger Steuerberater einen Sozius oder Partner aufnimmt, kann nicht von einer stillschweigenden Zustimmung der Mandanten, die Vertragsbeziehungen auszuweiten, ausgegangen werden (Kuhls u. a., Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3. Auflage, § 57, Rdnr. 232).

Eine Verschwiegenheitspflichtverletzung kann darüber hinaus im Rahmen der Berufsaufsicht geahndet sowie wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafrechtlich verfolgt werden.

1.5 Information der Steuerberaterkammer

Gemäß § 28 Abs. 3 BOStB sollen die Beteiligten den Übertragungsvertrag vor seinem Abschluss der Berufskammer vorlegen. Die Regelung dient dem Schutz der Vertragspartner, die nur auf diese Weise Gelegenheit erhalten, von den Erfahrungen der Steuerberaterkammer zu profitieren. Diese prüft insbesondere, ob die Regelungen des Vertrages den berufsrechtlichen Vorschriften entsprechen und damit auch, ob sich die Veräußerungsbedingungen im berufsüblichen Rahmen halten.

1.6 Information der Mandanten

Praxisveräußerer und -erwerber sollten wegen der weiteren Beauftragung des Erwerbers mit den wichtigsten Mandanten Gespräche führen. Soweit der vorgesehene Praxiserwerber die Mandanten aus seiner Tätigkeit als angestellter Steuerberater bereits kennt, können die Verkaufsverhandlungen offen geführt und ein gemeinsames Schreiben an die Mandanten versandt werden. In diesen Fällen ist zwar eine Einsichtnahme in die Mandantendaten ohne weitere Einwilligung zulässig, aber zivilrechtlich bedarf es der Zustimmung der Mandanten zur Fortführung des Mandats durch den Erwerber.
 

2. Vertragsverhandlungen und Sicherung der Verschwiegenheitspflicht

Die Bereitstellung der für den Übernehmer maßgeblichen Informationen, namentlich die betrieblichen und die persönlichen Daten der Mandanten, hat (s. o. unter 1.4) stets unter Beachtung der Verschwiegenheitspflicht zu erfolgen. Unbedenklich sind insoweit nur Unterlagen ohne konkreten Mandantenbezug (Bilanzen, Einnahme-Überschussrechnungen, GuV-Rechnungen, Steuererklärungen des Übergebers). Der Wert der Praxis wird jedoch maßgeblich durch den Mandantenstamm geprägt, weshalb dieser für den Übernehmer von besonderem Interesse ist. Allerdings ist es dem Veräußerer untersagt, seinem Vertragspartner ohne Zustimmung der Mandanten Einblick in die Mandantenakten zu gewähren. Es empfiehlt sich deshalb, die für die Praxisbewertung wesentlichen Angaben in einer anonymisierten Mandantenliste aufzuführen (Um eine Zuordnung zu einer mit den Mandantennamen versehenen Liste zu ermöglichen, empfiehlt es sich, Mandanten- oder Debitorennummern aufzunehmen). In der Liste aufzuführen sind insbesondere Jahreshonorar – möglichst getrennt nach wesentlichen Umsatzarten, z. B. für Lohn, Finanzbuchhaltung, Jahresabschluss, Beratung –, Gegenstand der steuerberatenden Leistungen, der Unternehmensgegenstand und Rechtsform, Mandatsdauer, Alter der Mandanten etc.

3. Hinweise zur Vertragsgestaltung

3.1 Konkurrenzklausel

Werden Konkurrenzklauseln (Niederlassungsverbote, Mandantenschutz- oder Mandantenübernahmeklauseln) vereinbart, ist zu beachten, dass das Wettbewerbsverbot für den früheren Praxisinhaber gegenständlich, zeitlich und örtlich auf das notwendige Maß beschränkt wird. Das notwendige Maß wird bestimmt durch das Erfordernis des Praxiserwerbers, die ihm bei der Praxisübertragung überlassenen Mandantenbeziehungen festigen zu können. Bei Praxisübertragungen sind Wettbewerbsverbote von zwei Jahren in der Regel unproblematisch. Insoweit gibt es keine zeitliche Höchstgrenze; es kommt stattdessen immer auf den Einzelfall an. Auch Zeiträume von drei bis fünf Jahren werden allgemein noch als unkritisch angesehen.

Nichtig ist jedenfalls dagegen ein Wettbewerbsverbot, welches dem Veräußerer in einem Zeitraum von zehn Jahren ab Übernahme der Praxis jegliche Steuerberatertätigkeit für die überzuleitenden Mandanten sowie „jegliche Berufsausübung im Gebiet der Landeshauptstadt und einem Umkreis von 60 km“ untersagt. Die Nichtigkeit dieser Klausel kann auch nicht durch eine salvatorische Klausel abgewendet werden (OLG Naumburg, Urteil v. 19. Juli 2005, 1 U 83/04, Stbg 2006, S. 80). Selbst die Zustimmung des früheren Praxisinhabers ändert an der Nichtigkeit sittenwidriger Vereinbarungen nichts (BGH, Urteil v. 17. November 1997, DStR 1997, S. 2038).

Berufs- als auch wettbewerbsrechtlich ist es unzulässig, wenn sich der Praxisveräußerer nach erfolgter Praxisübergabe und Auslaufen des vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots mit Werbeschreiben zwecks Weiterbetreuung an ehemalige Mandanten wendet (OLG Frankfurt/M., Urteil v. 25. September 2008, 6 U 112/08).

In steuerlicher Hinsicht ist zu beachten, dass die teilweise Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit einer nach § 18 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 4 und § 34 Abs. 2 Nr. 1 sowie Abs. 3 EStG begünstigten Praxisveräußerung oder Teilpraxisveräußerung nur dann nicht entgegensteht, wenn dies nur in einem geringen Umfang geschieht. Eine Tätigkeit von geringem Umfang ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten (zuletzt BFH, Beschluss v. 20. Januar 2009, VIII B 58/08, BFH/NV 2009, S. 756).

3.2 Einwilligung des Ehegatten

Lebt zumindest der Veräußerer im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so ist zur Wirksamkeit des Übergabevertrages das Zustimmungserfordernis des § 1365 Abs. 1 BGB zu beachten.

3.3 Kaufpreis, Kaufpreisveränderungsklauseln und Zahlungsmodalitäten

Ist der Gesamtkaufpreis ermittelt, muss eine für beide Seiten tragbare Regelung hinsichtlich des Zahlungsmodus gefunden werden. Insoweit sind zahlreiche Möglichkeiten denkbar.

Üblich – und mit Blick auf die Motivation des Übergebers in Bezug auf seine überleitende Tätigkeit sinnvoll – ist eine Vereinbarung, wonach beispielsweise 80 % des Kaufpreises am Übergabestichtag und der Rest nach Ablauf eines Jahres fällig sind. Um das Ausfallrisiko bezüglich des Differenzbetrages zu minimieren, empfiehlt es sich, den Betrag auf einem Anderkonto zu hinterlegen oder z. B. durch eine Bankbürgschaft absichern zu lassen.

In der Praxis finden sich auch sogenannte Abschmelzungsklauseln, auch Garantie- oder Rückrechnungsklauseln genannt. Damit willigt der Übergeber ein, für eine bestimmte Zeitspanne, die meist auf ein Jahr befristet ist, eine Minderung des Kaufpreises in der Höhe zu akzeptieren, wie Mandate nicht übertragen werden können und damit der Zielumsatz nicht erreicht werden kann. Abschmelzungsklauseln sollen dem Übernehmer eine Sicherheit bezüglich der Nachhaltigkeit des – aus Gründen der Verschwiegenheitspflicht – oft anonym erworbenen Mandantenstammes bieten. Andererseits erhöhen sie die Gefahr nachträglicher Auseinandersetzungen. Der Übernehmer muss nachweisen, dass der Mandatsverlust bzw. der Umsatzrückgang nicht durch ihn veranlasst wurde bzw. ihm nicht zurechenbar ist. Trotz einer vermeintlich klaren Regelung kann es jedoch schwierig werden, Rückzahlungsansprüche gegen den Veräußerer erfolgreich geltend zu machen. Auch aus Sicht des Veräußerers, der sich mit der Abgabe seiner Praxis regelmäßig aus dem Berufsleben zurückzieht, bedeuten derartige Vereinbarungen Ungewissheit. Er kann nicht ausschließen, dass ihn der Übernehmer zukünftig mit – gegebenenfalls sogar unberechtigten – Rückzahlungsansprüchen in Anspruch nimmt.

Wird dagegen ein fester Kaufpreis vereinbart, besteht die Gefahr, dass sich bestimmte (Umsatz-)Erwartungen nicht erfüllen und dennoch grundsätzlich keine Möglichkeit besteht, den Kaufpreis nachträglich zu korrigieren. Das Fehlen einer solchen Ausgleichsmöglichkeit wird daher in der Regel mit einem geringeren als dem am Markt erzielbaren Kaufpreis ausgeglichen. Das heißt also, der Veräußerer verzichtet wissentlich auf einen Teil des möglichen Übergabewertes, hat dafür aber die Sicherheit, nachträglich nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Der bei diesem Modell zu zahlende günstige Kaufpreis ist zugleich verbunden mit dem Verzicht des Erwerbers auf spätere Regress ansprüche gegen den Übergeber.

Es sollte geregelt werden, wie im Fall eines etwaigen Zahlungsverzugs des Übernehmers zu verfahren ist. So könnte der Praxisübergeber in Gestalt einer Risikoversicherung oder Bankbürgschaft abgesichert werden. Schließlich ist an ein etwaiges Verbot der Weiterveräußerung der Praxis durch den Erwerber bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung zu denken.

3.4 Schiedsklausel

Für den Fall möglicher Streitigkeiten sollte entsprechend § 7 Abs. 3 BOStB vorgesehen werden, dass die zuständige Steuerberaterkammer unverzüglich eingeschaltet und um Vermittlung gebeten wird.

Außerdem empfiehlt es sich vorzusehen, dass ein Rechtsschutzbedürfnis zur Anrufung eines Gerichts bei allen Streitigkeiten aus dem Vertrag einschließlich seiner Wirksamkeit erst dann gegeben sein soll, wenn ein Vermittlungsversuch der zuständigen Steuerberaterkammer von dieser als erfolglos bestätigt ist, es sei denn, dass es sich um einen Antrag auf Erlass eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung handelt. Wünschen die Parteien, dass über Streitigkeiten anstelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein Schiedsgericht entscheidet, muss hierüber eine Vereinbarung getroffen werden, die in den Vertrag aufgenommen oder diesem Vertrag beigefügt werden sollte (§§ 1029, 1031 ZPO).
 

4 Übergang der Mandate

Mit Abschluss des Übertragungsvertrages gehen die Mandate nicht automatisch auf den Praxiserwerber über. Hierzu bedarf es der Erklärung der Mandanten, (nun) vom Übernehmer steuerlich betreut werden zu wollen. Da die Möglichkeit einer konkludenten Zustimmung durch den Mandanten, z. B. durch Übergabe von Belegen usw., von Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich bewertet wird, sollte generell ein schriftliches Einverständnis oder ein solches in Textform eingeholt werden. Von daher empfiehlt es sich, dem diesbezüglichen Mandantenschreiben zwei auf den Übernehmer lautende Einverständniserklärungen – zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit dem Praxiserwerber (zivilrechtliche Ebene) sowie zur Einsichtnahme in alle dem Praxisveräußerer bekannt gewordenen und bekannt gegebenen Daten oder Unterlagen (berufsrechtliche Ebene) – beizufügen.

Insbesondere dann, wenn der Mandant sich weder mit der Offenlegung des Mandatsverhältnisses noch der Beauftragung des Übernehmers schriftlich einverstanden erklärt hat, empfiehlt sich – vor allem zu Beweiszwecken – die Anfertigung von Gesprächsvermerken.

Um einen möglichst vollständigen Übergang der Mandate sicherzustellen und den Wert der angefangenen Arbeiten zutreffend abgrenzen zu können, besteht die Möglichkeit, dass die Vertragspartner eine befristete Sozietät eingehen. Alternativ kann vereinbart werden, dass der Praxisveräußerer dem Praxisübernehmer für eine Übergangszeit für Rückfragen zur Verfügung steht. Diese Tätigkeit kann z. B. im Rahmen eines Freien-Mitarbeiter-Verhältnisses ausgeübt werden.

Um der Verschwiegenheitsverpflichtung beim Übergang der Mandate nachzukommen, ist folgende Vorgehensweise ratsam: Der Praxisübergeber bemüht sich zunächst um die ausdrückliche Zustimmung seiner Mandanten und bittet diese um Einwilligung für eine Datenübertragung auf den Praxisübernehmer. Gegebenenfalls sind die unter 1.4 erwähnten Modelle (vorgeschaltete Einstellung des Übernehmers und Erweiterung der Sozietät) denkbar.

Erklärt sich der Mandant mit der Übergabe seiner Daten nicht einverstanden oder ist er nicht erreichbar, trifft den Übergeber grundsätzlich die zehnjährige Aufbewahrungspflicht gemäß § 66 Abs. 1 StBerG. Diese Frist kann auf sechs Monate verkürzt werden, indem der Mandant ausdrücklich aufgefordert wird, die Dokumente Handakten (alle Schriftstücke, die der Berufsangehörige aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat) entgegenzunehmen (§ 66 Abs. 21 Satz 32 StBerG). Wird hiervon Gebrauch gemacht, sollte im eigenen Interesse der Zugang der Aufforderung zur Aktenabholung beim Mandanten sichergestellt und die Empfangsbestätigung aufbewahrt werden.

Für den Fall, dass die Aufbewahrung nur mit erheblichem Aufwand zu verwirklichen ist, kann eine Übergabe an den Übernehmer zur Verwahrung infrage kommen. Allerdings sind die Mandantenunterlagen dann in geeigneter Weise mit der Maßgabe zu übergeben, dass ohne ausdrückliche Einwilligung durch den Mandanten keine Einsicht zu nehmen ist. Zur Absicherung des Übergebers sollte ein diesbezügliches Fehlverhalten im Praxisübertragungsvertrag mit einer Vertragsstrafe bedacht werden.

Beim Mandatsübergang sind neben der Verschwiegenheitspflicht auch allgemeine Sorgfaltspflichten zu beachten. Hierzu gehört beispielsweise die vollständige und rechtzeitige Weitergabe aller wichtigen, die Mandanten betreffenden Informationen. So hat der BFH entschieden, dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden kann, wenn ein Steuerberater seinen Praxisnachfolger nicht über die zu beachtende Rechtsmittelfrist informiert und keine Absprache trifft, wer von beiden die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht begründet (BFH, Beschluss v. 23. Oktober 2008, X B 157/08, BeckRS 2008, 25014199).

5. Übernahme laufender Verträge

5.1 Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse

Durch den Kauf und die Übernahme der Praxis tritt der Übernehmer nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses unter Berufung auf die Praxisübertragung ist unwirksam (§ 613a Abs. 4 Satz 1 BGB). Die von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer sind vor der Übergabe – vom bisherigen oder neuen Arbeitgeber – in Textform schriftlich über die Modalitäten des Übergangs zu informieren (§ 613a Abs. 5 BGB). Dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich widersprechen (§ 613a Abs. 6 BGB). Macht ein Arbeitnehmer von diesem Recht Gebrauch, bleibt der Praxisübergeber Arbeitgeber dieser Person. Entsprechendes gilt auch für Berufsausbildungsverhältnisse (§ 10 Abs. 2 BBiG). Von daher wird empfohlen, vor der Praxisübertragung einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wegen möglicher Rechtsfolgen zu konsultieren.

5.2 Sonstige Verträge

Für sonstige Verträge, wie z. B. Miet-, Versicherungs- und Versorgungsverträge, besteht eine solche „Automatik“ nicht. Allerdings ist eine Übernahme einzelner Verträge üblich und vielfach auch sinnvoll, etwa weil ein mehrjähriger Mietvertrag geschlossen wurde, dessen vorzeitige Kündigung eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen könnte. Daher ist jeweils einzeln eine eventuelle Übernahme zu prüfen. Die Übernahmeentscheidungen sollten schriftlich, gegebenenfalls im Übernahmevertrag, festgehalten werden. Zu beachten ist, dass für die Übernahme u. a. die Zustimmung von Dritten erforderlich sein kann.

Es empfiehlt sich, dass der Kanzleierwerber seinen eigenen Versicherungsschutz mit dem des Veräußerers dem Inhalt und der Höhe nach abgleicht. Dabei sollte u. a. der Frage nachgegangen werden, ob der Umfang des Versicherungsschutzes vor der Praxisübertragung auch noch nach der Praxisübertragung i. S. d. § 67 Satz 1 StBerG „angemessen“ ist.
 

6. Haftung

6.1 Haftung gegenüber den Mandanten

Macht ein Mandant einen Schadensersatzanspruch aus dem Steuerberatungsvertrag geltend, so ist Anspruchsgegner grundsätzlich der Steuerberater, der die Leistung erbracht hat (bzw. dessen Erben). Aufgrund des sog. Verstoßprinzips tritt daher die Versicherung des Praxisübergebers ein, wenn der Schaden vor der Praxisübergabe verursacht worden ist. Unabhängig davon empfiehlt es sich, im Übertragungsvertrag zu regeln, dass der Übergeber den Übernehmer von jeglicher Inanspruchnahme durch Dritte freistellt, sofern es sich um Handlungen aus seiner beruflichen Tätigkeit, also um Handlungen vor der Praxisübergabe, handelt. Der Übergeber sollte ausdrücklich erklären, dass er hierfür die alleinige Verantwortung übernimmt.

6.2 Haftung gegenüber den Mitarbeitern

Als Arbeitgeber haften der Übergeber und der neue Praxisinhaber gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 BGB, soweit sie vor dem Zeitpunkt der Übertragung entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden (§ 613a Abs. 2 Satz 1 BGB). Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur noch in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht (§ 613a Abs. 2 Satz 2 BGB).

6.3 Haftung gegenüber dem Finanzamt, der Gebietskörperschaft etc.

Der Erwerber haftet für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb der Steuerberaterpraxis gründet, und für Steuerabzugsbeträge. Voraussetzung ist, dass die Steuern seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahrs entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden. Die Haftung beschränkt sich auf den Bestand des übernommenen Vermögens. Den Steuern stehen die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen gleich (§ 75 Abs. 1 AO).

Da die Haftung für betriebliche Steuern, wie z. B. Umsatz- und Kfz-Steuer für betrieblich genutzte Fahrzeuge, nicht vertraglich ausgeschlossen werden kann können, sollten die Angaben des Veräußerers zu seinen Steuerrückständen in den Vertrag aufgenommen werden. Unter Umständen könnte an die Einbehaltung eines Teils des Kaufpreises gedacht werden. Auf jeden Fall aber sollte im Innenverhältnis ein Rückgriffsrecht vereinbart werden.

Alle Risiken (z. B. Steuerrückstände, Lieferantenverbindlichkeiten, Darlehensverbindlichkeiten, Urlaubsrückstände …) sind günstigerweise in einer breit angelegten Gewährleistungsvereinbarung abzusichern.

 


M U S T E R

Schreiben des Praxisübergebers an Mandanten

Briefkopf des Praxisübergebers

Anschrift des Mandanten
Ort, Datum
 

Praxisübernahme

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum .............. werde ich meine Praxis an Frau/Herrn Steuerberater/in .............. übergeben. Ich bin überzeugt, mit Frau/Herrn StB .............. eine qualifizierte Nachfolgerin/einen qualifizierten Nachfolger gefunden zu haben.

Bitte bestätigen Sie mir, dass zukünftig/ab dem .............. Frau/Herr Steuerberater/in .............. Ihre steuerliche Betreuung übernimmt. Bitte geben Sie zugleich Ihr Einverständnis dafür, dass ich Frau/Herrn Steuerberater/in .............. Ihre hier geführten Akten übergebe. Eine entsprechend formulierte Einverständniserklärung habe ich als Anlage vorbereitet. Ich bitte Sie, diese an mich zurückzusenden bzw. um Rückgabe bei unserer nächsten Besprechung. Bitte rufen Sie an, wenn Sie hierzu Fragen haben. Die bisherigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind weiterhin in der Praxis tätig.
 

Mit freundlichen Grüßen


Anlagen
(Einverständniserklärung, frankierter Rückumschlag)


M U S T E R

Einverständniserklärung des Mandanten

Anschrift Mandant
Ort, Datum
Anschrift Steuerberater/in


Praxisübernahme

Sehr geehrter Herr/sehr geehrte Frau .............. ,

mit Ihrem Schreiben vom .............. haben Sie mich darüber unterrichtet, dass Sie Ihre Praxis zum .............. an Frau/Herrn Steuerberater/in .............. übergeben werden.

Ich bin damit einverstanden, dass zukünftig/ab dem .............. Frau/Herr Steuerberater/in .............. meine steuerliche Betreuung übernimmt.

Gleichzeitig erteile ich die Erlaubnis zur Daten-/Aktenübergabe an Frau/Herrn Steuerberater/in ..............


Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift