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Berufsrechtliches Handbuch

Stand: August 2024


5.2.5 Hinweise* der Bundessteuerberaterkammer zum Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrecht

Beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am 15. November 2012.

*) Die Hinweise haben keinen verbindlichen Charakter. Sie sollen zu bestimmten Sachverhalten oder Problemkreisen Anregungen zu eigenverantwortlichen Lösungen geben und somit die Praxisarbeit unterstützen.

Mit Beendigung des Mandats wird der Steuerberater vom Auftraggeber regelmäßig auf Herausgabe von Unterlagen in Anspruch genommen. Der Vertrag zwischen Mandant und Steuerberater ist üblicherweise als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter (§§ 675, 611 BGB) zu qualifizieren. Auf den Geschäftsbesorgungsvertrag finden einzelne Vorschriften des Auftragsrechts nach §§ 662 ff. BGB Anwendung, namentlich auch der Herausgabeanspruch nach § 667 BGB. Danach hat der Steuerberater alles, „was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben“.

Sofern Gebührenforderungen noch offenstehen, stellt sich für den Steuerberater die Frage, ob er in Ausübung eines Zurückbehaltungs- bzw. Leistungsverweigerungsrechts die Herausgabe von Mandantenunterlagen/Arbeitsergebnissen verweigern kann. Diese Frage beurteilt sich zivilrechtlich nach §§ 273, 320 BGB und berufsgesetzlich nach § 66 Abs. 2 StBerG.

§ 273 Abs. 1 BGB lautet:

„Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht)“.

§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB lautet:

„Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist.“

§ 66 Abs. 2 StBerG lautet wie folgt:

„Der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte kann seinem Auftraggeber die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Dies gilt nicht, soweit die Vorenthaltung der Handakten und der einzelnen Schriftstücke nach den Umständen unangemessen ist.“

Die Handakte ist in § 66 Abs. 3 StBerG wie folgt definiert:

„Handakten im Sinne dieser Vorschrift sind nur die Schriftstücke, die der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, nicht aber der Briefwechsel zwischen dem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten und seinem Auftraggeber, die Schriftstücke, die dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat, sowie die zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere.“

1. Umfang des Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechts

Bis zur Einführung von § 66 Abs. 4 (jetzt Abs. 2) StBerG – vgl. die parallelen Regelungen in § 51b Abs. 3, Abs. 4 WPO und § 50 Abs. 3, Abs. 4 BRAO – war lange Zeit umstritten, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang dem Steuerberater ein Zurückbehaltungs- bzw. Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung wird dem Steuerberater ein solches Recht an Arbeitsergebnissen (BGH, Urteil v. 17. Febru ar 1988, BB 1988 S. 656) und an (Original-)Mandantenunterlagen grundsätzlich zugestanden (KG Berlin, Urteil v. 28. September 2002, GI 2002, S. 256; OLG Düsseldorf, Urteil v. 19. Mai 1994, Az: 13 U 247/93 n. v.; OLG Nürnberg, Beschluss v. 11. April 1990, BB 1990 S. 1102; LG Zweibrücken, Urteil v. 3. Dezember 1990, DStR 1991, S. 663).

a. Mandantenunterlagen (Handakte i. S. v. § 66 Abs. 3 StBerG)

Zu dem Begriff der Handakte, wie in § 66 Abs. 3 StBerG definiert, zählen folgende Unterlagen:

  • vom Auftraggeber zu Beginn des Mandats übergebene Schrift-stücke und Urkunden, z. B. Kontoauszüge, Rechnungen, Buchführungsunterlagen/Belegwesen, Grundaufzeichnungen und Steuerbescheide/Bilanzen früherer Veranlagungszeiträume;
  • während des bestehenden Mandats dem Berater durch Finanzbehörden, Gerichte oder Dritte direkt übermittelte oder ihm vom Mandanten übergebene Bescheide, Entscheidungen und sonstiger Schriftverkehr (OLG Nürnberg, Beschluss v. 11. April 1990, BB 1990 S. 1102; OLG Düsseldorf, Urteil v. 19. Mai 1994, a.a. O.; LG Heidelberg, Urteil v. 29. September 1997, MDR 1998, S. 188);
  • bei einem Rechenzentrum gespeicherte und vom Vorgängerübertragene Stammdaten (LG Münster, Urteil v. 10. Juli 1981, Az. 10 S. 29/81 n. v.; LG Duisburg, Urteil v. 1. April 1982, ZIP 1982 S. 603). Zwischen den Unterlagen, die der Auftraggeber körperlich übergibt, und den nicht in Akten, sondern in einem Rechenzentrum gespeicherten Daten, bestehe kein Unterschied hinsichtlich der Herausgabepflicht. Der Mandant – so die Argumentation weiter – habe den Aufbau des Datenbestands mit seinen Gebühren für die Einrichtung der Buchführung honoriert (vgl. §§ 32, 34 Abs. 1 StBVV), sodass die Befugnis, über sie zu verfügen, allein ihm zustehe (OLG Celle, Urteil v. 12. Oktober 1988, Gl 1989 S. 39; LG München I, Urteil v. 10. Mai 1988, StB 1989 S. 234; LG Bielefeld, Urteil v. 11. Juli 1991, Stbg 1994, S. 46). Nach dem Urteil des OLG Celle (a. a. O.) ist der Steuerberater aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sogar verpflichtet, dem Mandanten vor Löschung der Daten eine Überspielung auf den Datenspeicher eines Kollegen anzubieten, andernfalls macht er sich schadenersatzpflichtig. Eine Herausgabepflicht könnte dem gegen über entfallen, wenn die Datenbestände Ausdruck eines spezifischen EDV-Know-hows sind oder es sich um selbst entworfene Textbausteine handelt, an denen eine Art Urheberrechtsschutz des Steuerberaters besteht.

Ob der Auftraggeber nach dem Ende des Mandats vom Steuerberater verlangen kann, dass dieser der Übertragung der von ihm bei der DATEV eG gespeicherten Daten auf einen anderen Steuerb erater zustimmt, hängt davon ab, ob die Daten das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis enthalten oder es sich um dieses v orbereitende Arbeitsleistungen handelt (BGH, Urteil v. 11.März 2004, DStR 2004, S. 1397). Während sich im letzteren Fall ein Anspruch auf Zustimmung zur Datenübertragung aus §§ 675, 667 BGB ergibt, besteht in dem Fall, dass es sich bei den gespeicherten Daten um das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis handelt, ein solcher Anspruch nicht, da das Arbeitsergebnis nicht im Sinne des § 667 BGB erlangt, sondern Gegenstand des vertraglichen Erfüllungsanspruchs ist.

Der Herausgabepflicht genügt der Steuerberater regelmäßig durch seine Zustimmung zur Übertragung der Rechenzentrumsdaten an den neuen Berater (vgl. hierzu Geisendorfer, Rechtsfragen zum Datenübertrag, DSWR 1993, S. 253).

b. Noch nicht weitergeleitete eigene Arbeitsergebnisse des Steuerberaters (§§ 273, 320 BGB)

Unter eigenen Arbeitsergebnissen versteht man das Ergebnis der vom Steuerberater in Ausführung des Auftrags erbrachten Leistungen, sei es in Papierform oder, wie regelmäßig im Fall der Buchführung, in Form von Datenbeständen. Hierher gehören:

  • erstellte Jahresabschlüsse/Bilanzen (OLG Düsseldorf, Urteil v.12. September 1996, Gl 1997 S. 295), Inventar- und Anlageverzeichnis, Steuererklärungen, Umbuchungslisten, Hauptabschlussübersichten (BGH, Urteil v. 17. Februar 1988, a. a. O.);
  • Sachkonten (LG Münster, Urteil v. 9. Dezember 1988, Az. 3 S 154/88), DATEV-Datenbestände (vgl. Schroer, INF 1995, S. 695; INF 2001, S. 406; Kuhls/Goez, StBerG, 3. Auflage, § 66, Rdnr. 22).

Kein Herausgabeanspruch des Mandanten besteht an internen Arbeitspapieren des Steuerberaters wie z. B. Aktenvermerke, vorbereitende Berechnungen, Telefonnotizen, Korrespondenz mit Mandanten oder Dritten, Duplikaten von mandanteneigenen Unterlagen etc. Für interne Zwecke gefertigte Arbeitspapiere und Arbeitshilfen fallen nicht unter den Begriff der Handakte, wie sich aus § 66 Abs. 3 StBerG ausdrücklich ergibt.

2. Voraussetzungen für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an Arbeitsergebnissen und/oder Mandantenunterlagen ist an zwei Voraussetzungen geknüpft:

a. Konnexität der Rechtsverhältnisse

Anspruch und Gegenanspruch, d. h. das Herausgabeverlangen des Mandanten sowie der Honoraranspruch des Steuerberaters, müssen auf „demselben rechtlichen Verhältnis“ beruhen (§ 273 Abs. 1 BGB). Voraussetzung ist ein einheitlicher Lebenssachverhalt, was regelmäßig zu bejahen ist, wenn Gebührenforderung und Herausgabeanspruch ihren Rechtsgrund in demselben Mandatsverhältnis haben (bei der Vertretung von Ehegatten oder einer Gesellschaft und deren Gesellschafter/Geschäftsführer ist zwischen den Mandatsverhältnissen zu differenzieren). Die Rechtsprechung fordert für das Tatbestandsmerkmal der Gegenseitigkeit der Forderungen außerdem, dass sich der Gebührenanspruch aus der konkreten Angelegenheit ergibt, auf die sich die zurückbehaltene Handakte bezieht, und vertritt die Auffassung, dass es nicht ausreicht, wenn irgendeine andere Gebührenrechnung aus dem Mandat offensteht. Für das Zurückbehaltungsrecht eines Rechtsanwalts an den Handakten gemäß § 50 Abs. 3 BRAO hat der BGH bereits mit Urteil vom 3. Juli 1997 (NJW 1997, S. 2944) entschieden, dass dieses auf das konkrete Auftragsverhältnis beschränkt sei und die Handakten nicht wegen offener Gebührenforderungen aufgrund anderer Aufträge desselben Mandanten zurückbehalten werden dürften, woran auch die Zusammenfassung der Einzelaufträge durch einen Beratungsvertrag nichts ändere. Auch für das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters an den Handakten nach § 66 Abs. 4 StBerG nimmt die Rechtsprechung an, dass Mandantenunterlagen nur zurückbehalten werden dürfen, soweit die Gebührenansprüche konkret aus der Steuerberatertätigkeit hervorgehen, in deren Zusammenhang die Unterlagen zum Steuerberater gelangten. Das Zurückbehaltungsrecht an den Handakten bestehe nur insoweit, als der Steuerberater für die konkrete Angelegenheit, für die er die Unterlagen erhalten hat, noch Vergütung verlangen könne (KG Berlin, Urteil v. 28. September 2001, GI 2002, S. 256; OLG Düsseldorf, Urteil v. Dezember 2004, NJW-RR 2005, S. 364).

Demgegenüber werden die Arbeitsergebnisse, wie unter Ziffer 1b) aufgezeigt, durch die Handaktenregelung in § 66 Abs. 3 StBerG (vgl. ebenso § 50 BRAO, § 51 WPO) nicht betroffen, sodass insoweit §§ 273, 320 BGB als Grundnormen gelten. Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH reicht es für das Zurückbehaltungsrecht an Arbeitsergebnissen aus, wenn irgendein Honoraranspruch aus demselben Mandatsverhältnis offen ist. Insbesondere soll es der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nicht entgegenstehen, wenn sich die Gebührenforderungen auf andere Abrechnungsjahre beziehen als die herausverlangten Unterlagen (BGH, Urteil. v. 17. Februar 1988, a.a.O.). Dennoch ist der sichere Weg auch bei dem Zurückbehalten von Arbeitsergebnissen der, dem Herausgabebegehren nur solcher Unterlagen nicht nachzukommen, die Grundlage der konkreten und nicht bezahlten Gebührenforderung sind.

b. Fälligkeit des Zahlungsanspruchs

Der Honoraranspruch des Steuerberaters muss fällig sein. Fehlen vertragliche Vereinbarungen, gelten die allgemeinen Regelungen. Bei einem Dienstvertrag wird der Vergütungsanspruch gem. § 614 BGB „nach der Leistung der Dienste“ fällig; handelt es sich um einen Werkvertrag, wie etwa die Ausarbeitung eines Gutachtens, ist die Vergütung „bei der Abnahme des Werks“ zu entrichten (§ 641 BGB). Auch § 7 StBVV bestimmt, dass die Fälligkeit erst nach Erledigung des Auftrags (also Fertigstellung des Arbeitsergebnisses) oder Beendigung der Angelegenheit eintritt. Der Steuerberater ist also hinsichtlich der Beratungsleistungen regelmäßig vorleistungspflichtig (zur vereinbarten Vorleistungspflicht vgl. LG Düsseldorf, Urteil v. 21. September 1998, INF 1999, S. 543). Die Vorleistungspflicht erstreckt sich jedoch nicht auch auf die Übergabe der Arbeitsergebnisse und der zur Verfügung gestellten Unterlagen (vgl. Kuhls/Goez, StBerG, 3. Auflage, § 66, Rdnr. 30). Abweichend hiervon kann der Steuerberater von seinem Auftraggeber gem. § 8 StBVV für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern. Wird der Gebührenvorschuss nicht fristgerecht gezahlt, besteht keine Vorleistungs- und auch keine Herausgabepflicht (OLG Karlsruhe, Urteil v. 19. November 1987, StB 1989, S. 41 betr. Rechtsanwälte).

Die Rechtsprechung verlangt für die Klagbarkeit des Honoraranspruchs zusätzlich eine ordnungsgemäße Abrechnung der Gebühren gem. § 9 StBVV, weil für den Auftraggeber erst von dem Zeitpunkt der Rechnungsstellung an Art und Umfang des Honorars erkennbar sind (OLG München, Bonner Handbuch, § 57, Rdnr. 716.2; OLG Düsseldorf, Bonner Handbuch, § 57 Rdnr. 716.8; LG Bielefeld, Urteil v. 11. Juli 1991, Stbg 1994, S. 46 f). Auch bei verjährter Forderung besteht ein Zurückbehaltungsrecht, sofern der Herausgabeanspruch des Mandanten bereits zu einem Zeitpunkt bestand, als der Gebührenanspruch noch nicht verjährt war (LG Düsseldorf, Beschluss v. 10. August 1978, AnwBl. 1979, S. 123; LG Heidelberg, Urteil v. 29. September 1997, MDR 1998, S. 188).

3. Das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters bei Anwendung des Lastschriftverfahrens

Vielfach wird aus Vereinfachungsgründen zwischen Steuerberater und Mandant vereinbart, dass Honorarforderungen im Lastschriftverfahren eingezogen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit sich der Steuerberater bei Anwendung des Lastschriftverfahrens auf das Zurückbehaltungsrecht nach § 66 Abs. 2 StBerG berufen kann, wenn die Lastschrift auf seinem Konto gutgeschrieben wurde. Insoweit ist zwischen den verschiedenen Formen des Lastschriftverfahrens wie folgt zu differenzieren:

a. Abbuchungsauftragsverfahren

Beim Abbuchungsauftragsverfahren weist der Zahlungspflichtige seine Bank mittels Abbuchungsauftrag an, eine Lastschrift auf seine Rechnung einzulösen und damit wie bei der Einlösung eines Schecks zu Lasten seines Kontos mit befreiender Wirkung an den Zahlungsempfänger zu leisten (§ 362 Abs. 2 BGB). lm Verhältnis zwischen der Bank und dem Zahlungspflichtigen ist die Lastschrift eingelöst, wenn die Belastung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Buchung rückgängig gemacht wird.

Eine Rückgängigmachung ist jedoch nur dann möglich, wenn der Abbuchungsauftrag vorher vom Kunden widerrufen wurde oder der Kunde der Bank gesondert die Weisung erteilt hat, Zahlung aus bestimmten Lastschriften nicht zu bewirken. Ein späterer Rückruf einer ordnungsgemäß eingelösten Lastschrift ist im Abbuchungsauftragsverfahren nicht möglich, da die in § 675x BGB vorgesehene Widerrufsmöglichkeit in Nr. 2.5 Bedingung für Abbuchungsauftragsverfahren ausdrücklich ausgeschlossen ist.

Damit gilt eine Zahlung, die im Wege des Abbuchungsauftragsverfahrens geleistet wird, mit der Buchung auf dem Konto des Zahlungsempfängers als bewirkt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB. Durch die damit eintretende Erfüllungswirkung entfallen zugleich die Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts. Im Rahmen des Abbuchungsauftragsverfahrens kann sich der Steuerberater deshalb jedenfalls dann nicht auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen, wenn bereits eine Gutschrift auf seinem Konto erfolgt ist.

b. Einzugsermächtigungsverfahren

aa. Traditionelles Einzugsermächtigungsverfahren

Beim traditionellen Einzugsermächtigungsverfahren ermächtigt der Schuldner den Gläubiger, bestimmte Zahlungen zu Lasten seines Kontos einzuziehen. Durch die Erteilung der Einzugsermächtigung erfolgt jedoch keine Abtretung des auf dem Girovertrag beruhenden Weisungsrechts. Es fehlt somit an einer Weisung des Zahlungspflichtigen an seine Bank zur Einlösung der Lastschrift, sodass die Kontobelastung im Verhältnis zum Zahlungspflichtigen zunächst unberechtigt ist und seiner Genehmigung bedarf (sogenannte Genehmigungstheorie). lm Rahmen des Einzugsermächtigungsverfahrens ist daher notwendig, dass der Zahlungspflichtige eine Genehmigung der Kontobelastung erteilt. Diese kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen. Darüber hinaus gilt nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Nr. 2.4 Abs. 2 Satz 3 der Bedingung für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren der Sparkassen (Fassung Oktober 2009) die Genehmigung spätestens dann als erteilt, wenn der Kunde der Lastschriftbelastung nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses für die entsprechende Kontokorrentperiode widersprochen hat.

Der BGH vertritt im Zusammenhang mit dem traditionellen Einzugsermächtigungsverfahren die sogenannte Genehmigungstheorie, nach der die Erfüllungswirkung wegen des Widerspruchsrechts des Schuldners erst mit dessen Genehmigung eintritt (BGH, NJW 2005, S. 675 (S. 676), NJW 2008, S. 63 und S. 3348). Die vom Schuldner erteilte Einzugsermächtigung beinhaltet danach nur die Gestattung, das von der Kreditwirtschaft entwickelte technische Verfahren des Lastschrifteinzugs zu nutzen (BGHZ 167, 171). Hieraus folgt, dass beim traditionellen Einzugsermächtigungsverfahren die alleinige Gutschrift auf dem Gläubigerkonto für die Erfüllungswirkung des § 362 Abs. 1 BGB nicht ausreicht, sondern es der Genehmigung des Schuldners bedarf. Der Steuerberater darf sich somit auch nach erfolgtem Einzug der Forderung solange auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen, bis die Genehmigung des Schuldners erteilt ist oder als erteilt gilt.

bb. SEPA-Lastschriftverfahren

(1) Eintritt der Erfüllungswirkung

Beim SEPA-Lastschriftverfahren, das spätestens bis zum Jahr 2014 das Einzugsermächtigungsverfahren ersetzen soll, ist Grundlage des Lastschrifteinzugs eine erweiterte Einzugsermächtigung, die der Zahlungspflichtige dem Zahlungsempfänger erteilt und die auch als SEPA-Lastschriftmandat bezeichnet wird. Die erweiterte Einzugsermächtigung enthält zwei Willenserklärungen des Zahlungspflichtigen, die an unterschiedliche Adressaten gerichtet sind. Zum einen wird der Gläubiger ermächtigt, unter Benutzung des SEPA-Lastschriftverfahrens Lastschriften zu Lasten des Kontos des Schuldners beim Kreditinstitut des Schuldners einzuziehen. Andererseits wird das Kreditinstitut des Schuldners angewiesen, eingehende Lastschriften des betreffenden Gläubigers zu Lasten des Kontos des Schuldners einzulösen.

Das SEPA-Lastschriftverfahren kennt zwei Ausgestaltungen, die SEPA-Firmenlastschrift und die SEPA-Basislastschrift. Das SEPA-Firmenlastschriftverfahren ersetzt zum 1. Januar 2014 das Abbuchungsverfahren. Voraussetzung für die Nutzung der SEPA-Firmenlastschrift ist, dass der Zahlungspflichtige kein Verbraucher ist, dieser dem Zahlungsempfänger ein SEPA-Firmenlastschrift-Mandat erteilt hat und für den Zahlungsempfänger eine Gläubiger-Identifikationsnummer vorliegt. lm SEPA-Firmenlastschriftverfahren kann der Zahlungspflichtige grundsätzlich eine ordnungsgemäß eingelöste Lastschrift nicht mehr rückgängig machen (§ 675e Abs. 4 BGB i.V. m. Nr. 2.5 Bedingungen für SEPA-Firmenlastschriftverfahren). Beim SEPA-Basislastschriftverfahren ist gemäß § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. Nr. 2.5 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren jedoch binnen einer Frist von acht Wochen ab Belastungsbuchung die Rückerstattung des belasteten Betrages möglich.

Für den Fall, dass in den Allgemeinen Auftragsbedingungen (AGB) der Banken das Lastschriftverfahren dem SEPA-Lastschriftverfahren nachgebildet wird, hat der BGH entschieden, dass die §§ 675c bis 676c BGB Anwendung finden und der Schuldner somit bis acht Wochen nach der Belastungsbuchung Erstattung verlangen kann, sofern er diese vorher nicht genehmigt hat (§ 675x Abs.6 BGB). Nach Ansicht des BGH ist somit in der Regel davon auszugehen, dass die dem Einzug zugrunde liegende Forderung mit vorbehaltloser Gutschrift auf dem Gläubigerkonto unter der auflösenden Bedingung der Nichtrückgängigmachung der Buchung als erfüllt gilt (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010, Xl ZR 236/07, ZIP 2010, S. 1556). Dies gilt gleichsam für das SEPA-Basislastschriftverfahren, wenn dieses nach Umstellung durch die Banken unmittelbar Anwendung findet.

(2) Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht

Der Steuerberater kann sich bei Anwendung des SEPA-Basislastschriftverfahrens bzw. im Fall des Einzugsermächtigungsverfahrens, soweit die AGB der Bank an das SEPA-Lastschriftverfahren angelehnt sind, trotz der zunächst eingetretenen Erfüllungswirkung auf das Zurückbehaltungsrecht nach § 66 Abs. 2 StBerG berufen, solange der Mandant die Lastschrift nicht genehmigt bzw. seine Bank nicht angewiesen hat, die Buchung nicht rückgängig zu machen. Hierfür spricht, dass bei einer rein formalen Betrachtungsweise, die darauf abstellt, dass die Forderung bei Gutschrift auf dem Konto als erfüllt gilt, das Zurückbehaltungsrecht ins Leere laufen würde, wenn der Mandant nach erfolgter Herausgabe der Unterlagen bzw. Übertragung der Daten die Buchung innerhalb der Acht-Wochen-Frist rückgängig machen würde. Sinn und Zweck der Regelung des § 66 Abs. 2 StBerG gebieten daher in diesem Fall eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die dem Steuerberater ein Zurückbehaltungsrecht einräumt, solange die Acht-Wochen-Frist noch nicht abgelaufen ist.

Auch hat der BGH in dem Urteil vom 20. Juli 2010 (Xl ZR 236/07, ZIP 2010, S. 1556) auf die Interessenlage der Parteien abgestellt und betont, dass der Gläubiger ein anerkennenswertes Interesse daran habe, den Schuldner wieder aus der ursprünglichen Forderung auf Zahlung in Anspruch nehmen zu können, wenn die Gutschrift infolge des Erstattungsverlangens des Schuldners entfällt. Hieraus lässt sich der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es nicht allein auf die rechtliche Erfüllungswirkung, sondern darauf ankommt, ob der Gläubiger eine Rechtsposition erwirbt, die ihm nachträglich durch den Schuldner nicht mehr entzogen werden kann.

Um sich ganz abzusichern, wird empfohlen, sich vor der Herausgabe der Unterlagen bzw. Übertragung der Daten an den Mandanten von diesem schriftlich bestätigen zu lassen, dass er die Lastschrift genehmigt oder gegenüber seiner Bank eine Erklärung abgegeben hat, in der er die Bank anweist, die Buchung nicht rückgängig zu machen. Eine solche Bestätigung zu verlangen, ist weder treu- noch berufswidrig. Auf der sicheren Seite ist der Steuerberater auch dann, wenn er das SEPA-Firmenlastschriftverfahren wählt. Denn in diesem Fall ist nach § 675e Abs. 4 BGB i.V.m. Nr.2.5 der Bedingungen für SEPA-Firmenlastschriftverfahren der Widerruf einer ordnungsgemäß eingelösten Lastschrift nicht möglich.

4. Ausschluss des Zurückbehaltungs- bzw. Leistungsverweigerungsrechts

a. Natur des Schuldverhältnisses

Aufgrund der Bedeutung der Ansprüche für den Gläubiger (Mandant) ist das Zurückbehaltungsrecht generell ausgeschlossen gegenüber Ansprüchen aus Treuhandverhältnissen (RGZ 160, S.52, 59; MüKo-Keller, BGB, § 273, Rdnr. 44) sowie gegenüber Ansprüchen auf Rechenschaftslegung und Auskunft gem. §§ 666, 259–261 BGB (BGH, Urteil v. 3. Februar 1978, NJW 1978, S. 1157, MüKo-Keller, a. a. O.).

b. Nach Treu und Glauben

Rechtsprechung und Literatur haben dem Zurückbehaltungsrecht seit jeher eine Grenze dort gezogen, wo seine Ausübung treuwidrig ist (vgl. Palandt-Grüneberg, 70. Auflage, BGB, § 273, Rdnr. 17 f.). Dieser Rechtsgrundsatz hat auch in § 66 Abs. 2 StBerG Eingang gefunden. Danach kann die Herausgabe der Handakten nicht verweigert werden, „soweit die Vorenthaltung der Handakten und der einzelnen Schriftstücke nach den Umständen unangemessen ist“. Diese Voraussetzung ist von der Rechtsprechung in der Vergangenheit ganz allgemein – also nicht bezogen auf das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters – angenommen worden, wenn

  • der Schuldner für seinen Gegenanspruch ausreichend Sicherheit besitzt (BGHZ 7, S. 123);
  • der Schuldner wegen einer unverhältnismäßig geringen Forderung die ganze Leistung zurückhalten will (BGH, Urteil v. 13. Juli 1970, NJW 1970, S. 2019);
  • die Erfüllung einer nach Grund und Höhe unbestrittenen Forderung wegen Gegenforderungen verweigert wird, deren Klärung schwierig und zeitraubend ist, und dadurch die Durchsetzung der Forderung des Gegners auf unabsehbare Zeit verhindert werden kann (BGHZ 91, S. 73; OLG Düsseldorf, Urteil v. 22. Dezember 2004, a. a. O.);
  • die Herausgabe von Unterlagen an den Auftraggeber deshalbverweigert wird, um sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Honorarerhöhung einzusetzen (AG Düsseldorf, Urteil v. 14. Januar 1985, StB 1985, S. 274);
  • der Auftraggeber zur Fortsetzung seiner Berufstätigkeit auf dieherauszugebenden Unterlagen dringend angewiesen und damit zu rechnen ist, dass der Honorarstreit über einen längeren Zeitraum andauern wird (AG Landshut, Urteil v. 16. März 2006, 2 C 1961/05 n. v.).

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht des LG Kleve, dass die Zurückbehaltung von Unterlagen treuwidrig sein soll, wenn diese nicht anderweitig rekonstruiert werden können (LG Kleve, Urteil v. 3. Oktober 1989, Az. 6 S 73/89, n. v.). Diese Auffassung ist mit dem Gedanken des legalen Druckmittels nicht vereinbar (so auch Kuhls/Goez, StBerG, 3. Aufl., § 66, Rdnr. 36).

Keine Bedeutung kommt bei der vom Steuerberater nach § 66 Abs. 2 Satz 2 StBerG vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung dagegen dem üblichen Nachteil zu, der dem Mandanten dadurch entsteht, dass durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts die weitere Wahrung und Verfolgung seiner Interessen erschwert wird. Denn es entspricht gerade Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts, den Auftraggeber zur Erfüllung der berechtigten Ansprüche des Steuerberaters zu zwingen (OLG Nürnberg, Beschluss v. 11. April 1990, BB 1990, S. 1102, 1103).

c. Durch Sicherheitsleistung (§ 273 Abs. 3 BGB)

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts kann vom Auftraggeber durch Sicherheitsleistung, insbesondere durch Hinterlegung eines der Höhe der Honorarforderung entsprechenden Geldbetrags (vgl. § 232 BGB) abgewendet werden, § 273 Abs. 3 BGB (LG Heidelberg, Urteil v. 29. September 1997, MDR 1998, S. 188). Hinterlegungsstelle ist gem. § 1 HinterlO das Amtsgericht. Abweichende Vereinbarungen, wie z. B. Hinterlegung beim Notar oder Einrichtung eines Treuhandkontos, sind zulässig (Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Auflage, Vorbm. § 232, Rdnr. 2).

Demgegenüber kann das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden, § 320 Abs. 1 Satz 3 BGB. Der Herausgabeanspruch des Mandanten an Arbeitsergebnissen des Berufsangehörigen resultiert unmittelbar aus dem im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Steuerberatungsvertrag. Zur Erfüllung ist der Steuerberater nur Zug um Zug gegen Zahlung offener Honorare verpflichtet.

d. Insolvenz des Mandanten

Im Fall der Insolvenz des Mandanten ist zwischen der Herausgabe von Mandantenunterlagen (Handakte) und Arbeitsergebnissen (Verkörperungen der vom Steuerberater erbrachten Leistungen) zu unterscheiden. Nach der noch zur Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung besteht nach Eröffnung des Konkursverfahrens kein Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters an Mandantenunterlagen (vgl. BGH, Urteil v. 3. November 1989, Stbg 1990, S. 194; OLG Düsseldorf, Urteil v. 12. März 1982, StB 1984, S. 50; OLG Hamm, Urteil v. 4. August 1987, StB 1988 S.235; LG Duisburg, Urteil v. 1. April 1982, ZIP 1982, S. 603). Weil die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters mit der des Konkursverwalters im Wesentlichen vergleichbar ist, gilt diese Rechtsprechung auch nach Einführung der Insolvenzordnung fort (vgl. Kuhls/Goez, StBerG, 3. Aufl., § 66, Rdnr. 41). Da nach § 116 i. V. m. § 115 Abs. 1 InsO Geschäftsbesorgungsverträge und damit auch Steuerberatungsverträge durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen, ist der Steuerberater nach §§ 667, 675 BGB verpflichtet, die Mandantenunterlagen, da diese im Sinne des § 667 BGB aus der Geschäftsbesorgung erlangt sind, an den Insolvenzverwalter zur Masse herauszugeben.

Bei Arbeitsergebnissen ist danach zu differenzieren, wie der Insolvenzverwalter das ihm nach § 103 InsO zustehende Wahlrecht ausübt. Entscheidet er sich für die Erfüllung des Steuerberatungsvertrags, entstehen nach der Rechtsprechung des BGH die zunächst durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschenen beiderseitigen Erfüllungsansprüche mit dem ursprünglichen Inhalt neu und der Steuerberater hat bei verweigertem Honorar ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 BGB aus nicht erfülltem Vertrag (BGH, Urteil v. 25. Oktober 1988, NJW 1989, S. 1216). Anders verhält es sich dann, wenn der Insolvenzverwalter für den Mandanten die Erfüllung ablehnt. In diesem Fall bleibt es dabei, dass der Steuerberatungsvertrag mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 116 InsO i. V. m. § 115 Abs. 1 InsO erloschen ist. Da kein Erfüllungsanspruch mehr besteht, braucht der Steuerberater nicht zu leisten und sein Arbeitsergebnis nicht herauszugeben.

Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 25. Oktober 1988 zwar festgestellt, dass die Arbeitsergebnisse des Steuerberaters als Erfüllung seiner Vertragspflichten nicht im Sinne des § 667 BGB erlangt sind und daher nach dieser Vorschrift auch nicht herausverlangt werden können. Es sind aber auch danach noch vereinzelt Entscheidungen ergangen, durch die der Steuerberater zur Her ausgabe von Arbeitsergebnissen an den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter verurteilt wurde. So hat das LG Essen entschieden, dass trotz bestehender Honorarrückstände die DATEV-Konten vom Steuerberater an den Konkursverwalter herauszugeben sind (LG Essen, Urteil v. 24. Mai 1996, ZIP 1996, S. 1878). Auch das LG Cottbus hat einen Steuerberater dazu verurteilt, die von ihm im Rahmen der Finanzbuchhaltung erstellten Kontenblätter an den Insolvenzverwalter herauszugeben. Nach Auffassung des Gerichts sind auch Arbeitsergebnisse, die der Berater nicht körperlich an seinen Mandanten übergibt, nach deren Fertigstellung und faktischer „Ablieferung“, auch wenn diese zur weiteren Mandatsbearbeitung beim Steuerberater verbleiben, rechtlich aus dem Mandat erlangt und stellen damit Mandantenunterlagen im Sinne der Handakte dar (LG Cottbus, Urteil v. 2. Mai 2001, DStR-E 2002, S. 63).

Im vorläufigen Insolvenzverfahren kommt es darauf an, ob das Insolvenzgericht einen „starken“ oder „schwachen“ Insolvenzverwalter bestellt hat. Im ersteren Fall geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 21 Abs. Nr. 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter hat damit dieselbe Rechtsstellung wie der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren. Er kann deshalb – anders als der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter – auch Auskunfts- und Herausgabeansprüche anstelle des Schuldners geltend machen. Inwieweit sich in diesem Fall der Steuerberater bei offenen Honorarforderungen auf das Zurückbehaltungsrecht nach § 66 Abs. 4 StBerG berufen kann, ist noch nicht abschließend entschieden. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte tendiert aber dazu, zugunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters zu entscheiden und ein Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters zu verneinen (vgl. zuletzt LG Berlin, Urteil v. 3.März 2006, 28 O 92/06 – betr. Herausgabe von bei der DATEV eG gespeicherten Finanz- und Lohnbuchführungsdaten).

e. Weitere Sonderfälle

Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht an einer Vollmachtsurkunde (§ 175 BGB) sowie an Unterlagen Dritter, z. B. unbearbeiteten Lohnsteuerkarten von Angestellten des Auftraggebers oder deren Arbeitspapieren wie z. B. Versicherungsnachweishefte oder Versicherungskarten (Kuhls/Goez, StBerG, 3. Auflage, § 66, Rdnr. 43 f.; Schroer, INF 2001, S. 407).

5. Erfüllungsort für die Herausgabeverpflichtung

Die Bestimmung des Orts, an dem die Herausgabeverpflichtung zu erfüllen ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des § 269 BGB. Bei der Herausgabepflicht in Bezug auf die Handakte handelt es sich um eine Holschuld. Erfüllungsort ist daher die berufliche Niederlassung des Steuerberaters, d. h. der Sitz der Kanzlei (Kuhls/Goez, StBerG, 3. Auflage, § 66, Rdnr. 22; Gehre/von Borstel, StBerG, 5. Auflage, § 66, Rdnr. 25).

Der Erfüllungsort entscheidet zugleich darüber, auf wessen Kosten und Risiko die Leistungshandlung vorzunehmen ist (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 269, Rdnr. 1). Da Erfüllungsort die Praxis des Berufsangehörigen ist, reicht es aus, wenn er dem Mandanten hier die Übergabe der Unterlagen anbietet. Dagegen ist er nicht verpflichtet, diese auf seine Kosten und Gefahr dem Auftraggeber zuzusenden.

6. Das Zurückbehaltungsrecht gem. § 66 Abs. 2 StBerG gegenüber der Finanzverwaltung

Die Frage, ob das Zurückbehaltungsrecht auch gegenüber Dritten, insbesondere der Finanzverwaltung geltend gemacht werden kann, ist in Rechtsprechung und Lehre bisher kaum behandelt worden. Gleichwohl ergibt sich in der täglichen Praxis nicht selten die Konstellation, dass der Steuerberater zulässigerweise sein Zurückbehaltungsrecht sowohl an eigenen Arbeitsergebnissen als auch an Mandantenunterlagen ausübt, während die Finanzverwaltung eine steuerliche Betriebsprüfung anordnet, zu deren Durchführung sie den Steuerberater auffordert, die Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Nach den Bestimmungen der §§ 93, 97 AO unterliegt der Steuerberater einer Mitwirkungspflicht, die ggf. durch Anwendung von Verwaltungszwang erzwungen werden kann. Eine solche Fallgestaltung war Anlass für den zuständigen Ausschuss der Bundessteuerberaterkammer, sich der Thematik anzunehmen mit dem Ergebnis, dass das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters nur ein Gegenrecht gegenüber dem Herausgabeanspruch des Mandanten darstellt, ihn jedoch nicht berechtigt, sich auch gegenüber Ansprüchen Dritter, hier dem öffentlichrechtlichen Vorlageanspruch der Finanzverwaltung, auf sein Zurückbehaltungsrecht zu berufen. Es fehle hierzu an einer gesetzlichen Grundlage. Der Herausgabeanspruch des Mandanten und damit korrespondierend das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters seien zivilrechtlicher Natur, während es sich zwischen Finanzverwaltung und Steuerberater um eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung handele. Die besondere Eigenart zivilrechtlicher Rechtsverhältnisse liege aber gerade darin, dass sie nur zwischen den beteiligten Parteien wirke, Rechtsverhältnisse Dritter davon nicht berührt würden.

Die Herausgabepflicht gegenüber dem Finanzamt bestimmt sich nach §§ 93, 97, 104 AO. Zu den nach § 104 Abs. 2 AO vorlagepflichtigen Urkunden zählt die Kommentarliteratur Durchschriften von Steuererklärungen, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, soweit sie für den Mandanten aufbewahrt werden, sowie den Briefwechsel mit den Finanzbehörden. Dazu gehören ferner Unterlagen im Sinne von § 147 Abs. 1 AO, also auch die gesamte Buchführung (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler-Söhn, AO, § 104, Rdnr. 14 b). Demgegenüber bezieht sich § 104 Abs. 2 AO nicht auf für interne Zwecke gefertigte Arbeitspapiere und die persönliche Handakte des Steuerberaters sowie dessen Arbeitsergebnisse, da diese Aufzeichnungen nicht für den Steuerpflichtigen aufbewahrt werden. Sie stehen weder in seinem Eigentum noch in seinem Besitz. Vielmehr hat der Mandant bezüglich der Arbeitsergebnisse nur einen vertraglichen Herausgabeanspruch gegen den Steuerberater Zug um Zug gegen Bezahlung der Gebührenrechnung gem. §§ 273, 320 BGB. Dadurch, dass § 104 Abs. 2 AO die persönliche Handakte des Steuerberaters sowie die für interne Zwecke gefertigten Arbeitspapiere und Arbeitsergebnisse nicht erfasst, kann der Steuerberater nach § 104 Abs. 1 AO die Herausgabe der genannten Unterlagen verweigern, freilich nicht wegen der Beachtlichkeit eines Zurückbehaltungsrechts, sondern wegen des Fehlens eines gesetzlichen Herausgabeanspruchs nach § 104 Abs. 2 AO.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein steuerlicher Berater nach § 97 i. V. m. § 104 Abs. 2 AO zur Herausgabe der von ihm wegen offener Honorarforderungen zurückbehaltenen, für die Besteuerung seines ehemaligen Mandanten bedeutsamen und ihm anvertrauten schriftlichen Unterlagen (hier: Ausdrucke der Konten der Finanzbuchführung, dazugehörige Journale oder Primanoten sowie Summenlisten und Saldenlisten) an das Finanzamt zur Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung verpflichtet ist (FG BerlinBrandenburg, Urteil v. 13. April 2007, Az. 6 K 2012/06 B, EFG 2007, S. 1658). Das Gericht stellte klar, dass die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und seinem steuerlichen Berater abgabenrechtlich ohne Bedeutung seien. Auch sei das Herausgabeverlangen nicht unverhältnismäßig, wenn alternativ die Möglichkeit eingeräumt werde, die benötigten Daten durch Überlassung eines entsprechend mit den Daten ausgestatteten Datenträgers (z. B. einer CD-ROM) zuzuleiten.