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Berufsrechtliches Handbuch

Stand: August 2024


5.1.3 Hinweise* für die Tätigkeit des Steuerberaters als Sanierungs- und Insolvenzberater

Beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am 13. und 14. April 2021.

* Die Hinweise haben einen unverbindlichen Charakter. Sie sollen zu bestimmten Sachverhalten oder Problemkreisen Anregungen zu eigenverantwortlichen Lösungen geben und somit die Praxisarbeit unterstützen.
 

1. Vorbemerkungen

Die Sanierungs- und Insolvenzberatung ist eine vereinbare Tätigkeit gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG. Die Tätigkeit bewegt sich an der Grenze zwischen wirtschaftlicher und rechtlicher Beratung. Im Zweifel empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Seit dem 1. Januar 2021 ist das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) und damit das neue Restrukturierungsrecht in Kraft getreten. Das StaRUG enthält eine Reihe von Maßnahmen, damit sich Unternehmen im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens nach der Insolvenzordnung sanieren können. Daneben bleibt die freie Sanierung außerhalb einer speziellen gesetzlichen Regelung noch zulässig. 

Ergänzend sind die „Allgemeinen Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Ausübung vereinbarer Tätigkeiten“ (vgl. Berufsrechtliches Handbuch, II. 5.1.1) und „Hinweise für die Tätigkeit als Sanierungsmoderator und Restrukturierungsbeauftragter, II.5.1.27“, „Hinweise für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter“, II.5.1.8 zu beachten.

2. Voraussetzungen

§ 57 Abs. 1 StBerG fordert, dass der Steuerberater nur dann Leistungen erbringen darf, wenn er auch die erforderliche Sachkunde besitzt. Krisenmanagement ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Sie erfordert betriebswirtschaftliche, steuer-, arbeits-, gesellschafts- und insolvenzrechtliche Kompetenzen. Der Steuerberater muss deshalb geeignete Partner aus anderen Fachdisziplinen einbinden, wenn er den notwendigen Sachverstand in Spezialfragen nicht aufweist.

Regelmäßig wird der Steuerberater mit einer Sanierungs- oder Insolvenzberatung erst unmittelbar vor einer sich ankündigenden Insolvenz eines Unternehmens beauftragt. Dieser Auftrag verlangt ein gesondertes Mandat. Denn der zwischen einem Steuerberater und seinem Mandanten geschlossene Vertrag beschränkt sich üblicherweise auf die Wahrnehmung der steuerlichen Interessen. Die Feststellung der bilanziellen Überschuldung im Rahmen der Erstellung einer Überschuldungsbilanz, einer Fortführungsprognose oder die Prüfung der rechtlichen Überschuldung sowie der Insolvenzantragspflicht sind hingegen nicht Teil des üblichen Mandats. Soweit der Sanierungs- und Insolvenzberater in die Jahresabschlusserstellung eingebunden ist, sind insbesondere die Hinweis- und Warnpflichten des § 102 StaRUG zu berücksichtigen. Weiter sind die Hinweise zur Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen, zu beachten (vgl. Berufsrechtliches Handbuch, II. 3.2.1).

Für eine erfolgreiche Sanierungs- und Insolvenzberatung bleibt dann außerhalb des StaRUG und eines förmlichen Insolvenzverfahrens nur ein sehr enger zeitlicher Rahmen. Vor der Mandatsannahme sollte überprüft werden, ob die personellen und technischen Kapazitäten für eine zeitnahe Beratung ausreichen.

3. Tätigkeitsbeschreibung, Rechte und Pflichten

Der Steuerberater ist als Ratgeber und Helfer mit unterschiedlichen Formen der Krise des Unternehmens je nach Rechtsform konfrontiert. Diese machen unterschiedliche Tätigkeiten erforderlich. Insbesondere ist dieZahlungsunfähigkeit und die Unterbilanz zu prüfen.

3.1 Sanierungsfähigkeit

Der Sanierungs- und Insolvenzberater muss die Zukunftschancen des Unternehmens auf dem Markt prüfen und ggf. eine Sanierung empfehlen. Hierzu muss er zunächst die Marktsituation des Unternehmens und die zukünftige betriebswirtschaftliche Entwicklung untersuchen. Bei der Sanierungsberatung sind betriebswirtschaftliche Analysen und klare Konzepte zu entwickeln, um mögliche Haftungsansprüche sowohl der Mandanten als auch Dritter zu vermeiden. Steuerliche Auswirkungen eines eventuellen Schuldenerlasses sind zu bedenken und anhand der zurzeit geltenden Rechts- und/oder Verwaltungsvorschriften einzuschätzen.

Die Befriedigung einer Forderung, die Gegenstand eines Insolvenzfremdantrages ist, erwirkt nicht zwingend die Unzulässigkeit dieses Insolvenzantrages (§ 14 Abs. 2 S. 1 InsO).

3.2 Zahlungsunfähigkeit/drohende Zahlungsunfähigkeit

Feststellung

Das Unternehmen ist/wird nicht in der Lage sein, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen
(vgl. §§ 17, 18 InsO, BGH vom 24. Mai 2005, AZ: IX ZR 123/04); BGH vom 19. Dezember 2017, Az. II ZR 88/16, „Passiva II“).

Indizien für drohende Zahlungsunfähigkeit und Zahlungseinstellung sind:

Gesetzlich ist in § 101 StaRUG geregelt, dass Informationen über die Verfügbarkeit der von öffentlichen Stellen bereitgestellten Instrumentarien zur frühzeitigen Identifizierung von Krisen vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz unter seiner Internetadresse www.bmjv.bund.de bereitgestellt werden.

In der Praxis gelten häufig folgende Indizien:

  1. häufige Begebung von Rücklastschriften
  2. Austrausch von Leistung und Gegenleistung außerhalb des Zeitrahmens sonst geltenden Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs
  3. Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern über eine Dauer von mehr als drei Monaten, Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern
  4. Häufung von Mahnbescheiden und Vollstreckungsmaßnahmen
  5. Einstellung des aktiven Geschäftsverkehrs
  6. Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung

Möglichkeiten zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit sind insbesondere: 

- Wegfall von Verbindlichkeiten

- Gläubigerverzicht mit Rangrücktritt, Besserungsschein

- Stundung von Verbindlichkeiten

  1. Verlängerung der Zahlungsfrist bei Lieferantenverbindlichkeiten
  2. Vereinbarungen mit Banken über Verlängerung von Kreditfristen, Stundungen von Tilgungen und Zinsen
  3. Stundungsvereinbarungen mit dem Finanzamt und den Krankenkassen
  4. Stundungsvereinbarungen mit weiteren Darlehensgebern – insbesondere Gesellschaftern

- Neuaufnahme von Krediten – Umschuldungsmaßnahmen

- Wechsel von der Gläubiger- zur Eigentümerposition ("Debt-Equity-Swap")

- Zuführung von liquiden Mitteln durch die Gesellschafter – z. B. Nachschüsse, aufnahme neuer Gesellschafter

- Patronatserklärungen/Bürgschaften

- Deinvestitionen: z. B. Verkauf nicht betriebsnotwendigen Vermögens, Sale out-Lease back, Factoring

Beachtung potenzieller Anfechtungstatbestände:

Bei der Empfehlung vorgenannter Maßnahmen sind die späteren Anfechtungsmöglichkeiten nach § 129 InsO, insbesondere §§ 133, 142, 143 InsO zu bedenken und außerhalb der Insolvenzanordnung nach dem AnfG zu beachten.

Rechtliche Konsequenzen bei Zahlungsunfähigkeit sind insbesondere: 

  1. Nach § 17 InsO ist Zahlungsunfähigkeit ein allgemeiner Eröffnungsgrund des Insolvenzverfahrens.
  2. Nach § 18 InsO ist bereits die drohende Zahlungsunfähigkeit ein Eröffnungsgrund des Insolvenzverfahrens, wenn der Schuldner den Eigenantrag stellt. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kommen auch Maßnahmen nach dem StaRUG in Betracht (siehe dazu Hinweise 5.1.27).
  3. Nach § 92 Abs. 2 AktG hat bei Zahlungsunfähigkeit der Vorstand das generelle Zahlungsverbot zu beachten.
  4. Nach § 15a InsO ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.
  5. Geschäftsführerhaftung für Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 15b InsO.
  6. Nach § 26 Abs. 4 InsO ist jede Person zur Leistung eines Vorschusses nach § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO verpflichtet, die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.

3.3    Unterbilanz

Eine Unterbilanz liegt vor, wenn sich aus einer den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Bilanz ergibt, wenn mindestens die Hälfte des Nennkapitals verloren ist.

Rechtliche Konsequenzen bei einer Unterbilanz ergeben sich beispielsweise aus:

-    § 30 Abs. 1 GmbHG – Auszahlungssperre
-    § 43a GmbHG – Verbot der Darlehensgewährung an Geschäftsführer und leitende Personen
-    § 49 Abs. 3 GmbHG – unverzügliche Einberufung einer Gesellschafterversammlung
-    § 92 Abs. 1 AktG – unverzügliche Einberufung einer Hauptversammlung
 

3.4 Überschuldung

Das Vermögen reicht nicht mehr aus, um die Schulden zu decken (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Anzusetzen sind die tatsächlichen Werte (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO) und nicht die bilanziellen Werte. Es ist eine Fortführungsprognose durchzuführen.

Bezüglich der Fortführungsprognose und der Berücksichtigung nachrangiger Gesellschafterforderungen ist § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO mit der 12-Monats-Prognose zu beachten.

Feststellung der Überschuldung

Negatives Eigenkapital/nicht gedeckter Fehlbetrag in der Handels- und Steuerbilanz kann lediglich ein erstes Indiz dafür bieten, ob eine Überschuldung vorliegt. Es bedarf einer zeitpunktbezogenen Überschuldungsbilanz bzw. eines Überschuldungsstatus mit vom Handels- und Steuerrecht abweichenden Bewertungsgrundsätzen.

Die Überschuldungsbilanz soll Auskunft darüber geben, welche Vermögensgegenstände im Falle einer Insolvenzeröffnung zur Verfügung stehen und welche Gläubigerrechte im Insolvenzfall zu befriedigen sind.

Anschaffungs-, Imparitäts-, Realisations- und Einzelbewertungsprinzipien gelten nicht.

Überschuldungsprüfung erfolgt mehrstufig

1. Stufe

Überprüfung der rechnerischen Überschuldung nach Liquidationswerten

Weist diese Überschuldungsbilanz kein Defizit an Vermögenswerten aus – keine Überschuldung

Weist diese Überschuldungsbilanz ein Defizit an Vermögenswerten aus, folgt die

2. Stufe

Überprüfung, ob das Fortbestehen des Unternehmens künftig überwiegend wahrscheinlich ist. Damit kann es zu einer positiven Fortbestehensprognose kommen, ohne dass die rechnerische Überschuldung bei Ansatz von Fortführungswerten beseitigt sein muss.

(Hinweis: Fortbestehensprognose ist vom Geschäftsführer plausibel darzulegen und vom Steuerberater auf Plausibilität zu prüfen!)

Nachrangige Gesellschafterforderungen (qualifizierter Rangrücktritt erforderlich!) sind bei den Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen.

Rechtliche Konsequenzen aus der Überschuldung sind insbesondere

  1. Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) spätestens sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung
  2. Nach § 15b InsO ist bei festgestellter Überschuldung ein generelle Zahlungsverbot und deren Ausnahme zu beachten.
  3. Geschäftsleiterhaftung für Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 15b InsO
  4. Nach § 26 Abs. 4 InsO ist jede Person zur Leistung eines Vorschusses nach § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO verpflichtet, die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.

Strafrechtliche Konsequenzen sind insbesondere: (u. a.):

Nach § 15a Abs. 4 und 5 InsO ist die verspätete Insolvenzantragstellung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sanktioniert.

Die Vorschrift des § 283 StGB (Bankrott) stellt bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit bestimmte Handlungen unter Strafe. Dazu zählen z. B. verspätete Bilanzaufstellung, mangelhafte Führung der Bücher und Verstöße gegen Ausweis- und Gliederungsvorschriften. Neben Vorsatz ist auch fahrlässiges Handeln strafbar.
 

4. Besondere Haftungsrisiken des Steuerberaters als Sanierungs- und Insolvenzberater

Die Beratungspflicht des Beraters umfasst die frühzeitige Aufklärung seines Mandanten über dessen Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags. Handlungsverpflichtet ist der Mandant allerdings selbst.

Zu beachten ist bei einem Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife einer GmbH, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Gesellschafter und der Geschäftsführer in den Schutzbereich dieses Vertrags einbezogen sind (BGH vom 14. Juni 2012, IX ZR 145/11). Dies hat zur Folge, dass auch diesen gegenüber eine Haftung für Fehler bei der Ausführung des Vertrags infrage kommt. Der Berater hat aber nach der Rechtsprechung des BGH die Möglichkeit, diese Haftung auszuschließen, indem er wirksam mit dem Dritten vereinbart, dass dieser nicht in den Schutzbereich des Vertrags eingebunden werden soll.

Der Berater sollte die Erfüllung seiner Beratungspflichten ausreichend und aussagefähig dokumentieren:

  1. Aktennotizen zu Mandantengesprächen
  2. Schriftliche Hinweise gegenüber Mandanten mit Handlungsaufforderungen

Der Berater muss seine eigene Praxis in der Weise organisieren, dass Jahresabschlüsse der Gesellschaften in den in gesetzlichen Vorschriften und/oder den Satzungen genannten Fristen fertiggestellt werden können. Der Mandant ist rechtzeitig zur Zuarbeit – gegebenenfalls unter Fristsetzung – aufzufordern.

Der Berater muss darauf achten, dass er bei allem Engagement bei der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen nicht in die Rolle des „faktischen Geschäftsführers“ gerät, weil dies für ihn eigenes Haftungsrisiko auslösen kann, sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich hinsichtlich eventueller Mittäterschaft bei Bankrottstraftaten.
 

5. Haftpflichtversicherung

Als Unterform der wirtschaftlichen Beratung, die von der Berufshaftpflichtversicherung erfasst ist, ist auch die Sanierungs- und Insolvenzberatung versicherungsrechtlich abgedeckt, soweit sie berufsüblich ist (Teil 3 B Abs. II Nr. 7 AVBRSW).
 

6. Abrechnung/Honorar

Für die Vergütung der Tätigkeit des Steuerberaters als Berater in der Krise findet die Steuerberater-
vergütungsverordnung keine Anwendung. Es wird dringend empfohlen, mit dem Auftraggeber eine schriftliche Honorarvereinbarung zu treffen. Es sollten auch immer Maßnahmen zur Sicherung des eigenen Gebührenanspruchs vor der späteren Insolvenzanfechtung (z. B. Vorschuss) getroffen werden. Bei der Geltendmachung des Honorars ist auf die Vermeidung von Gläubigerbevorzugung zugunsten des Beraters zu achten (§§ 142, 133 InsO).