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Berufsrechtliches Handbuch

Stand: März 2024


5.2.3.4 Hinweise* der Bundessteuerberaterkammer zur Tätigkeit des Steuerberaters als Praxisabwickler (§ 70 StBerG)

Beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am 12. März 2024

* Die Hinweise haben keinen verbindlichen Charakter. Sie sollen zu bestimmten Sachverhalten oder Problemkreisen Anregungen zu eigenverantwortlichen Lösungen geben und somit die Praxisarbeit unterstützen.
Inhaltsverzeichnis
 
Vorbemerkung
 
1.  Bestellung des Praxisabwicklers/Dauer des Amts/Beendigung
 
2.  Rechtsstellung gegenüber den Erben bzw. dem ehemaligen Steuerberater
     a.  Geschäftsbesorgungsvertrag
     b.  Praxisinhaberschaft und Eigentümer der Praxisgegenstände
     c.  Wettbewerbsverbot
 
3.  Aufgaben des Praxisabwicklers
     a.  Umfang des gesetzlichen Auftrags
          aa.  Abwicklung schwebender Angelegenheiten
          bb.  Bearbeitungsrückstände
          cc.  Dringende Arbeiten
          dd.  Nachbesserungsarbeiten
          ee.  Vergütungsansprüche und Kostenforderungen
     b.  Betreten der Praxisräume und erste Maßnahmen
     c.  Aushändigung der Daten und Unterlagen
     d.  Rechtsstellung gegenüber Dritten (insb. der Finanzverwaltung)
     e.  Auftreten gegenüber Mandanten und Dritten
     f.  Vollmachtsdatenbank
     g.  Besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt)
     h.  Abwicklung Zahlnungsverkehr
     i.  Anmietung von Büroräumen
     j.  Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse
     k.  Aufbewahrung von Daten und Unterlagen
     l.  Umsatzsteuerliche Pflichten des Abwicklers
 
4.  Haftung
 
5.  Vergütung des Praxisabwicklers
 
6.  Dokumentation der Tätigkeit
 
7.  Insolvenz im Rahmen der Praxisabwicklung
     a.  Allgemeine Abgrenzungsfragen
     b.  Postvollmacht des Abwicklers, Postsperre
     c.  Verfügungsrechte bezüglich der Kanzleiräume und -ausstattung
     d.  Inbesitznahme der Daten und Unterlagen des Mandanten
     e.  Vermeidung oder Rückgängigmachung von Kündigungen der für die Abwicklung wesentlichen Verträge
     f.  Vergütungsansprüche 
     g.  Einrichten eines Abwicklerkontos/Treuhandkontos
     h.  Auskunfts- und Rechenschaftspflicht
 
8. Weitere Problembereiche

Vorbemerkung

Gemäß § 70 Abs. 1 StBerG kann die örtlich zuständige Steuerberaterkammer einen anderen Steuerberater* zum Abwickler der Praxis eines verstorbenen Steuerberaters bestellen. Ein solcher Abwickler kann auch dann bestellt werden, wenn der ehemalige Inhaber einer Praxis nicht mehr über seine Bestellung als Steuerberater verfügt, weil diese erloschen, zurückgenommen oder widerrufen worden ist. Gemäß § 55 Abs. 6 StBerG kann in entsprechender Anwendung des § 70 StBerG auch für eine Berufsausübungsgesellschaft, deren Anerkennung erloschen ist, ein Abwickler bestellt werden, wenn die zur gesetzlichen Vertretung berufenen Personen keine hinreichende Gewähr zur ordnungsgemäßen Abwicklung der schwebenden Angelegenheiten bieten.

Es handelt sich demgemäß um Fälle, in denen ein ehemaliger Berufsangehöriger nicht mehr zur Verfügung steht, um die bestehenden Mandatsverhältnisse zu betreuen und die anstehenden Aufgaben als Berufsangehöriger zu erledigen. Hierzu gehören keine Fremdmandate wie z. B. die eines Lohnsteuerhilfevereins. 

Die zuständige Steuerberaterkammer hat in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob die Bestellung eines Praxisabwicklers erforderlich erscheint. Ein Bedürfnis zur Bestellung eines Praxisabwicklers wird regelmäßig dann bestehen, wenn für die Mandanten dringende Aufgaben zu erledigen sind, die als geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen zu den Vorbehaltsaufgaben eines Steuerberaters gehören. Die Einsetzung eines Praxisabwicklers erfolgt regelmäßig, um eine Gefährdung der Mandanteninteressen zu vermeiden, der Position des Steuerberaters als Organ der Steuerrechtspflege gerecht zu werden und um das Ansehen des Berufsstands in der Öffentlichkeit zu wahren. 

Es ist von Vorteil und sehr zu empfehlen, dass Kammermitglieder sich rechtzeitig Gedanken darüber machen, welcher Kollege im Notfall als Praxisvertreter oder Praxisabwickler infrage kommen könnte. Der Name dieser Person kann dann bei der zuständigen Steuerberaterkammer für den Notfall bereits vorsorglich hinterlegt werden. Es bietet sich beispielsweise auch an, wechselseitige Vereinbarungen für eine gegenseitige Vertretung im Notfall als Praxisvertreter zu treffen und gegebenenfalls auch wechselseitig zu vereinbaren, dass man im Notfall den Namen eines Kollegen bei der zuständigen Steuerberaterkammer hinterlegt, damit diese Person gegebenenfalls als Praxisabwickler bestellt werden kann.

Zwar sind die Befugnisse des Abwicklers im StBerG näher beschrieben. Dennoch besteht ein Bedürfnis zur Beantwortung zahlreicher Einzelfragen, mit denen sich der Abwickler bei seiner Tätigkeit auseinandersetzen muss. Diese Hinweise sollen hierzu eine Hilfestellung geben.
 

* In diesen Hinweisen wird für alle Mitglieder der Steuerberaterkammern der Begriff „Steuerberater“ verwendet. Regelungen, die nur für bestimmte Personengruppen gelten, sind einzeln genannt. Auf Berufsausübungsgesellschaften finden die Vorschriften insoweit Anwendung, als sich aus der Rechtsform keine Besonderheiten ergeben.


1. Bestellung des Praxisabwicklers/Dauer des Amts/Beendigung

Die Einsetzung eines Praxisabwicklers erfolgt durch einen Verwaltungsakt der Steuerberaterkammer gemäß § 70 Abs. 1 StBerG. Ein Praxisabwickler kann nicht durch eine vertragliche Vereinbarung bestellt werden. 

Das Amt als Praxisabwickler beginnt mit der Einsetzung durch die Steuerberaterkammer und endet mit Ablauf der gegebenenfalls befristet vorgenommenen Einsetzung als Praxisabwickler oder durch einen Widerruf der Bestellung als Abwickler nach § 70 Abs. 7 StBerG. 

Die Entscheidung der zuständigen Steuerberaterkammer darüber, ob die Einsetzung eines Praxisabwicklers erforderlich erscheint, hängt von vielen verschiedenen Faktoren und einer Einzelfallprüfung ab. Im Fall des Todes von Berufsangehörigen wird die zuständige Steuerberaterkammer zunächst gegebenenfalls vorhandene Erben anhören, in deren Interesse, für deren Rechnung und auf deren Kosten der Praxisabwickler tätig wird.

Es bleibt den Erben oder dem ehemaligen Steuerberater unbenommen, von sich aus bei der Kammer um die Bestellung eines Praxisabwicklers nachzusuchen und ggf. einen bestimmten Berufsträger vorzuschlagen. Im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut des § 70 Abs. 1 Satz 1 StBerG kann jedoch nur ein Steuerberater zum Praxisabwickler berufen werden.

Die Bestellung kann vom Praxisabwickler nur aus einem wichtigen Grund abgelehnt werden. Über die Zulässigkeit der Ablehnung entscheidet die zuständige Steuerberaterkammer (§ 70 Abs. 4 StBerG).

Auch wenn eine Schriftform nicht vorgeschrieben ist, wird über die Bestellung regelmäßig – zur Beweissicherung – eine Urkunde ausgestellt, in der insbesondere der Beginn und die Dauer der Abwicklung festgelegt werden. Gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 StBerG ist der Abwickler in der Regel nicht länger als für die Dauer eines Jahres zu bestellen. Auf dessen Antrag kann die Bestellung jeweils höchstens um ein Jahr verlängert werden, wenn er glaubhaft macht, dass schwebende Angelegenheiten noch nicht zu Ende gebracht werden konnten.

2. Rechtsstellung gegenüber den Erben bzw. dem ehemaligen Steuerberater

a. Geschäftsbesorgungsvertrag

Gemäß § 70 Abs. 3 Satz 3 StBerG stehen dem Praxisabwickler die gleichen Befugnisse zu, die der verstorbene oder frühere Steuerberater hatte. Nach Satz 4 der Vorschrift gilt der Abwickler für die schwebenden Angelegenheiten als „von der Partei“ (dem Mandanten) bevollmächtigt, sofern diese nicht für die Wahrnehmung ihrer Rechte in anderer Weise gesorgt hat. 

Der Praxisabwickler wird in eigener Verantwortung jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des ehemaligen Praxisinhabers beziehungsweise von dessen Erben tätig. Dem Verhältnis zwischen Praxisabwickler und Erben liegt ein durch die Bestellung des Abwicklers begründeter Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 666, 667 und 670 BGB zugrunde, § 70 Abs. 5 i. V. m. § 69 Abs. 2 StBerG. 

Der Praxisabwickler hat gegen den ehemaligen Berufsangehörigen bzw. gegen die Erben eines Berufsangehörigen einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für seine Tätigkeit, § 70 Abs. 5 i. V. m. § 69 Abs. 4 Satz 4 StBerG. 

Der Abwickler leitet die verwaiste Praxis in eigener Verantwortung und ist an Weisungen der Erben oder des ausgeschiedenen Steuerberaters nicht gebunden. Gegenüber den Erben bzw. dem ausgeschiedenen Steuerberater hat der Abwickler einen Anspruch auf Aushändigung der Akten. Hierzu gehören alle Unterlagen, die für die Praxisabwicklung erforderlich sind. Kraft seines Amtes gilt der Abwickler für die schwebenden Angelegenheiten als von den betreffenden Mandanten bevollmächtigt. Er muss deswegen weder den Finanzbehörden noch dem Finanzgericht eine neue, auf ihn lautende Vollmacht vorlegen. Gleichwohl empfiehlt es sich, sich umgehend bei diesen Stellen als Praxisabwickler – ggf. unter Einreichung einer Kopie der Bestellungsurkunde – zu melden. Die Vorlage der Bestellungsurkunde der zuständigen Steuerberaterkammer ist insbesondere auch gegenüber Banken nötig, wenn der Zugriff auf die Geschäftskonten des ehemaligen Berufsangehörigen erforderlich ist, über die der Praxisabwickler die Verfügungsbefugnis durch seine Einsetzung erhält.
 

b. Praxisinhaberschaft und Eigentümer der Praxisgegenstände

Mit dem Tod eines Steuerberaters geht die Steuerberaterpraxis als Vermögenswert im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) auf die Erben über, die dadurch „Inhaber“ der Praxis und Eigentümer der dort befindlichen Gegenstände werden. Im Todesfall des Steuerberaters werden dessen Erben Gläubiger der vom Praxisabwickler einzuziehenden Honorare. Das Gleiche gilt für den ausgeschiedenen Steuerberater; auch er bleibt Inhaber der Forderungen.

c. Wettbewerbsverbot

Der von Amts wegen bestellte Abwickler darf für die Dauer von zwei Jahren nach Ablauf der Bestellung nicht für Auftraggeber tätig werden, die er in seiner Eigenschaft als Vertreter für den Vertretenen betreut hat. Dies gilt nicht, wenn eine schriftliche Einwilligung der Erben oder des früheren Steuerberaters vorliegt (§ 70 Abs. 8 i. V. m. § 69 Abs. 6 StBerG). In der Praxis ist dies oft eine für alle Beteiligten sinnvolle Vorgehensweise, bei der gegebenenfalls Vergütungsansprüche des Abwicklers auf einen zu zahlenden Kaufpreis für die Praxis angerechnet werden können. In der Regel wird im Zusammenhang mit einer Einwilligung zur Übernahme der abzuwickelnden Praxis im Ganzen oder von Einzelmandaten eine Vereinbarung über ein berufsübliches Entgelt für die Übernahme des Mandantenstamms oder einzelner Mandate getroffen.


3. Aufgaben des Praxisabwicklers

a. Umfang des gesetzlichen Auftrags

Die Einsetzung eines Praxisabwicklers dient dem Schutz der Mandanten und der Wahrung des Ansehens des steuerberatenden Berufs. Aus diesen Schutzzwecken ergeben sich die Aufgaben eines Abwicklers, Schaden von den Mandanten abzuhalten und hierzu die schwebenden Angelegenheiten zu erledigen. Nicht von diesen Aufgaben umfasst ist die Übernahme der steuerlichen Angelegenheiten des verstorbenen oder ehemaligen Steuerberaters selbst, soweit sie über die ausgeübte Vermögensverwaltung hinausreicht. Für darüber hinausgehende Aufgaben bedürfte es eines gesonderten Auftrags der Erben, den der Abwickler dann als externer Steuerberater (und nicht als Praxisabwickler) annehmen kann, aber nicht muss.

Sowohl bei einer Einzelkanzlei als auch im Sonderfall einer führungslosen Berufsausübungsgesellschaft besteht bei entsprechendem Handlungsbedarf für den Praxisabwickler die Möglichkeit, mithilfe des Nachlassgerichts einen Abwesenheitspfleger (§§ 1884 ff. BGB) oder Nachlasspfleger (§§ 1960 ff. BGB) bestellen zu lassen. Berufsrechtlich zulässig wäre bei einer Berufsausübungsgesellschaft parallel zur Praxisabwicklung auch die gleichzeitige Bestellung des Praxisabwicklers als Liquidator der Berufsausübungsgesellschaft.

Der Praxisabwickler muss zwischen der Abwicklung der Praxis (einschließlich Lohnsteuer, Sozialversicherungsabgaben und Umsatzsteuer-Voranmeldung in Bezug auf die Zeit seiner Bestellung) und den übrigen zivilrechtlichen Angelegenheiten der Erben (z. B. Mietrückstände) differenzieren.

Mit Mietverträgen, Arbeitsverträgen oder Leasingverträgen hat die eigentliche Praxisabwicklung nichts zu tun. Dies gilt auch für die Klärung sonstiger Besitz- und Eigentumsfragen der Kanzlei und ihren zur Berufsausübung erforderlichen Gerätschaften. Derartige Vertragsverhältnisse werden durch die Bestellung eines Abwicklers nicht beeinflusst, sodass der ehemalige Steuerberater oder die Erben zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet sind. Die Erben allein sind berechtigt, bestehende Verträge zu kündigen. 

Wenn es aus Sicht des Praxisabwicklers erkennbar ist oder von vornherein der gesonderte Auftrag dazu erteilt wird, kann sich die Vorbereitung der Kündigung bestehender Verträge in Abstimmung mit den Erben dennoch anbieten.
 

  1.  
  2. aa.  Abwicklung schwebender Angelegenheiten
  3. Dem Abwickler, nicht etwa den ehemaligen Mitarbeitern des Steuerberaters oder seinen Erben – sofern nicht selbst zur Steuerberatung befugt –, obliegt es, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln. Er führt die laufenden Aufträge fort; innerhalb der ersten sechs Monate ist er auch berechtigt, neue Aufträge anzunehmen (§ 70 Abs. 3 Satz 1, 2 StBerG). Entsprechendes gilt für andere Fälle des Erlöschens der Bestellung, da mit dem Verlust der Bestellung die Nichtigkeit des Auftragsverhältnisses wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot eintritt (§ 134 BGB i. V. m. § 5 StBerG).


    Als „schwebende Angelegenheit“ und als „laufender Auftrag“ sind, gleichermaßen für Vorbehaltsaufgaben und für vereinbare Tätigkeiten i. S. d. § 57 Abs. 3 Nr. 2 und 3 StBerG, nur solche Auftragsverhältnisse zu verstehen, die vom ehemaligen oder verstorbenen Steuerberater angenommen und mit deren Bearbeitung bereits begonnen wurde, die aber noch nicht zum Abschluss gebracht worden sind. Das bedeutet andererseits, dass keine Verpflichtung besteht, Aufträge zu erledigen, mit deren Bearbeitung der vormalige Berater noch nicht begonnen hat. Für Dauerauftragsverhältnisse, wie z. B. die Finanz- und Lohnbuchführung, heißt das, dass im Rahmen der Praxisabwicklung die bereits angefangene Monatsbuchführung grundsätzlich zum Abschluss zu bringen ist, während für nicht begonnene Arbeiten diese Verpflichtung nicht besteht. Bei erkennbaren Zahlungsrückständen kann ein weiteres Tätigwerden von Vorschusszahlungen abhängig gemacht werden.

  4. bb.  Bearbeitungsrückstände
  5. Auch im Fall von Bearbeitungsrückständen ist der Abwickler nicht verpflichtet, tätig zu werden. In diesen Fällen hat der Abwickler die Mandanten unverzüglich zu kontaktieren und ihnen Daten und Unterlagen herauszugeben oder aber ihnen im Rahmen der Sechs-Monats-Frist anzubieten, die noch nicht begonnenen Arbeiten aufzuarbeiten. Vor der Annahme neuer Aufträge gilt jedoch generell, dass vorab zu prüfen ist, ob diese kostendeckend innerhalb des Zeitraums, für den der Abwickler bestellt ist, erledigt werden können. Soweit der Abwickler innerhalb der Sechs-Monats-Frist Aufträge annimmt, muss er die Mandanten auf die Möglichkeit hinweisen, dass das Mandat ggf. nicht zu Ende geführt werden kann. Der Praxisabwickler sollte bei Beginn seiner Tätigkeit in Abstimmung mit den Erben bzw. dem ehemaligen Steuerberater die Veräußerbarkeit der Praxis prüfen und seine Tätigkeit hieran ausrichten.
     
  6. cc.  Dringende Arbeiten
  7. Eine Verpflichtung zum Tätigwerden (Nothandlungen wie insbesondere Fristverlängerungsanträge) besteht, wenn dies zur Vermeidung von Schäden, z. B. wegen drohenden Fristablaufs oder zur Abwehr anderer Gefahren, dringend geboten erscheint. Posteingänge (E-Mail, beSt etc.) sind unverzüglich zu prüfen.
  1. dd.  Nachbesserungsarbeiten
  2. Auch für vom Auftraggeber geforderte Nachbesserungsarbeiten ist der Praxisabwickler grundsätzlich zuständig, wenn der ehemalige Praxisinhaber fehlerhaft gearbeitet hat. Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt es sich, die Mandanten unverzüglich über die Praxisabwicklerstellung (wirtschaftlich bedeutet Abwicklung die Liquidation bzw. Stilllegung eines Unternehmens) aufzuklären, die zivilrechtliche Basis von Nachbesserungsarbeiten und Schadensersatzforderungen darzulegen und den Mandanten ggf. die Daten der Berufshaftpflichtversicherung mitzuteilen.
     
  3. ee.  Vergütungsansprüche und Kostenforderungen
  4. Der Abwickler ist berechtigt, jedoch außer im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nicht verpflichtet, Vergütungsansprüche und Kostenforderungen des verstorbenen oder früheren Steuerberaters im eigenen Namen geltend zu machen, im Falle des verstorbenen Steuerberaters allerdings nur für Rechnung der Erben (§ 70 Abs. 6 StBerG). Die Wirtschaftlichkeit der Geltendmachung offener Forderungen ist in Abstimmung mit den Erben unter Berücksichtigung der Beweislage zu prüfen.

    Hinsichtlich der eigenen Vergütung ist der Praxisabwickler gem. § 70 Abs. 5 i. V. m. § 69 Abs. 4 Satz 6 StBerG befugt, Vorschüsse auf die vereinbarte oder festgesetzte Vergütung zu entnehmen.
     

b. Betreten der Praxisräume und erste Maßnahmen

Der Praxisabwickler hat sich zunächst einen Überblick über die Praxis, die Verhältnisse des Büros vor Ort und insbesondere die eingesetzte Software und über die noch offenen und zu bearbeitenden Vorgänge zu verschaffen. Hierzu muss er die Möglichkeit haben, die Praxisräume zu betreten, um eine Bestandsaufnahme durchführen zu können. Nach §§ 70 Abs. 5, 69 Abs. 4 Satz 1 StBerG ist der Abwickler ausdrücklich berechtigt, die Büro- und Nebenräume zu betreten und die zur Praxis gehörenden Gegenstände, einschließlich des dem bisherigen Praxisinhaber zur Verwahrung unterliegenden Treuguts, in Besitz zu nehmen, herauszuverlangen und hierüber zu verfügen.

Bei Verweigerung der Kooperation des ehemaligen Steuerberaters oder der Erben muss der Abwickler seine Rechte gerichtlich durchsetzen. Das Betreten der Praxisräume kann dann ggf. durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung (§§ 935, 945 ZPO) erzwungen werden. 

Soweit erforderlich hat der Praxisabwickler Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen, damit Dritte keinen Zugang zu den Büroräumen haben (z. B. auswechseln der Schlösser). Bei einer Gemengelage zwischen privater Wohnung und der Praxis ist in dem Antrag an das Gericht auf die Herausgabe von Daten und Unterlagen, nach Möglichkeit unter Benennung konkreter Mandate, abzustellen. Der Praxisabwickler kann dabei ggf. auf die bei der Berufskammer vorliegenden Beschwerdevorgänge zurückgreifen (§ 70 Abs. 5 StBerG i. V. m. § 69 Abs. 4 StBerG).

Um seiner gesetzlich zugewiesenen Aufgabe, „die schwebenden Angelegenheiten“ abzuwickeln, nachzukommen, muss sich der Abwickler zunächst Gewissheit darüber verschaffen, welche Aufträge insgesamt vorliegen und welche sich davon in Bearbeitung befinden. Er sollte zunächst die noch ungeöffnete Post sowie die elektronischen Nachrichten einschließlich der Nachrichten im beSt sichten und die im Büro vorgefundenen offenen Schriftstücke und Unterlagen durchsehen und fachlich beurteilen. Ist erkennbar von einem neuen Auftrag auszugehen, ist die Sechs-Monats-Frist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 2 StBerG zu beachten. In diesen Fällen kann ein Tätigwerden des Abwicklers vom Mandanten nicht gefordert werden, weil es sich berufsrechtlich nicht um eine „schwebende Angelegenheit“ handelt und zivilrechtlich kein Auftragsverhältnis mit dem Abwickler besteht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Abwickler nicht Rechtsnachfolger des ehemaligen Steuerberaters ist. Dies gilt insbesondere auch für die Rückforderung geleisteter Vorschüsse. Dieser Anspruch richtet sich allein gegen die Erben bzw. den ehemaligen Berufsträger.

Nach Sichtung des Bearbeitungsstands beurteilt der Abwickler nach eigenem Ermessen, nach welchen Prioritäten die Angelegenheiten erledigt werden müssen.
 

c. Aushändigung der Daten und Unterlagen

Wesentliche Aufgabe des Praxisabwicklers ist die Herausgabe von Daten und Unterlagen an die Mandanten. Entsprechend hat der BGH mit Urteil vom 7. Februar 2019 (IX ZR 5/18, NZI 2019, 397) klargestellt, dass der Abwickler das Eigentum an den Handakten der abzuwickelnden Kanzlei auf die Mandanten übertragen kann. Für den Datenbestand gilt dies entsprechend.

Hinsichtlich der Daten ist es wichtig, von Anfang an – vor dem Hintergrund evtl. auslaufender Verträge mit externen Rechenzentren oder Softwareanbietern – die Frage der Zugriffsmöglichkeit zu prüfen und ggf. die Sicherung der Daten vorzunehmen. Insbesondere bei Daten, die ausschließlich in einem Rechenzentrum gespeichert sind (z. B. DATEV LODAS), muss die Frage der Übertragung/Sicherung zeitnah geklärt werden.
 

d. Rechtsstellung gegenüber Dritten (insb. der Finanzverwaltung)

Dem Abwickler stehen die gleichen Befugnisse zu, die der verstorbene oder frühere Steuerberater hatte. Für die schwebenden Angelegenheiten gilt er als von der Partei bevollmächtigt, sofern diese nicht für die Wahrnehmung ihrer Rechte in anderer Weise gesorgt hat (§ 70 Abs. 3 Satz 3, 4 StBerG). Der Abwickler hat grundsätzlich alle offenen Angelegenheiten soweit erforderlich und möglich zu bearbeiten. Dabei ist er an bestehende Vereinbarungen, insbesondere gebührenrechtlicher Art, zwischen dem ausgeschiedenen Steuerberater und den Mandanten gebunden. Sofern keine Honorarvereinbarung (zumindest in Textform) vorliegt, ist nach der StBVV abzurechnen. Abweichende Vereinbarungen sind zu beweisen.

Durch den Tod des Praxisinhabers oder dessen Ausscheiden aus dem steuerberatenden Beruf werden bereits anhängige Verfahren bei der Finanzverwaltung (Einsprüche, Beschwerden) oder beim Finanzgericht nicht unterbrochen, weil hier kein Vertretungszwang besteht. Dagegen wird ein Verfahren vor dem BFH bis zur Bestellung eines neuen Bevollmächtigten oder der Einsetzung eines Praxisabwicklers wegen des dort herrschenden Vertretungszwangs (§ 155 FGO i. V. m. § 244 Abs. 1 ZPO) unterbrochen.

Der Finanzverwaltung sind im Falle der Mandatsbeendigung die Beendigung und das Erlöschen der Zustellungsvollmacht unverzüglich anzuzeigen. Dies gilt gemäß § 80a Abs. 1 Satz 4 AO auch für den Fall der mittels Vollmachtsdatenbank elektronisch übermittelten Vollmacht. Auch hier muss der Bevollmächtigte Änderungen oder den Widerruf der Vollmacht unverzüglich den Landesfinanzbehörden nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mitteilen.
 

e. Auftreten gegenüber Mandanten und Dritten

Der Praxisabwickler muss die Mandanten – soweit möglich – umgehend und nachweislich darüber unterrichten (z. B. per Rundschreiben), dass er von der Steuerberaterkammer bestellt worden ist und seine Aufgabe insbesondere darin besteht, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln und – soweit möglich und sinnvoll – begonnene Aufträge fortzuführen und abschließend zu bearbeiten. Die Ablehnung neuer Aufträge oder Hinderungsgründe für die Weiterbearbeitung laufender Aufträge sind unverzüglich und unmissverständlich zu kommunizieren (§ 63 StBerG). Aus Gründen der Klarheit und der Rechtssicherheit sollte darauf hingewiesen werden, dass er nur innerhalb der ersten sechs Monate berechtigt ist, neue Aufträge anzunehmen.

Gegenüber Mandanten und Dritten hat der Praxisabwickler kenntlich zu machen, dass er in dieser Eigenschaft auftritt. Er sollte die Geschäftspapiere des ausgeschiedenen Steuerberaters verwenden und muss dessen Ausscheiden in geeigneter Weise kenntlich machen (z. B. durch den Zusatz „StB bis ...”/„† xx.xx.20xx“). Der Abwickler hat insbesondere bei der Unterzeichnung von Schriftstücken ausdrücklich klarzustellen, dass er als Praxisabwickler und nicht in eigener Sache tätig wird. Er hat deswegen im Zusammenhang mit seiner Berufsbezeichnung und seinem Namen den Zusatz „Praxisabwickler“ zu führen. Bei der absehbaren Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Betriebs und der zeitnahen Praxisübertragung erscheint auch ein Auftreten als „Temporärer Praxisabwickler” (als vertrauensbildende Maßnahme) zulässig.
 

f. Vollmachtsdatenbank

Sofern der verstorbene Steuerberater die Vollmachtsdatenbank (VDB) genutzt hat und dort Daten hinterlegt sind, erhält der Praxisabwickler hierauf Vollzugriff. Für den Zugriff zur VDB muss die zuständige Steuerberaterkammer den Praxisabwickler über das Programm Personenverwaltung als Praxisabwickler (inkl. von/bis-Datum) eintragen. Diese Information wird dann an die VDB übermittelt und dem Praxisabwickler für diesen Zeitraum der Zugriff auf die entsprechende Kanzlei in der VDB eingeräumt. Ansprechpartner für den Praxisabwickler ist grundsätzlich die zuständige Steuerberaterkammer. (Weitere Hinweise finden sich in dem Merkblatt „Merkblatt für Praxisabwickler für den Umgang mit dem beSt und der VDB der abzuwickelnden Kanzlei“ www.bstbk.de.) 

g. Besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt)

Gemäß § 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG richtet die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach empfangsbereit ein. Sobald ein Eintrag zu einer Person aus dem Berufsregister (z. B. wegen Tod oder Widerruf der Bestellung) gelöscht wird, sperrt die Bundessteuerberaterkammer gem. § 9 Abs. 2 Steuerberaterplattform- und  -postfachverordnung (StBPPV) das Nutzerkonto. Nach Sperrung des Nutzerkontos besteht gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 StBPPV kein Zugang mehr. Wird für einen Steuerberater ein Abwickler bestellt, räumt die Bundessteuerberaterkammer dem Abwickler für die Dauer seiner Bestellung einen auf die Übersicht der eingegangenen Nachrichten beschränkten Zugang zum beSt der Person ein, für die er bestellt wurde. Anhand der Übersicht sind für den Praxisabwickler der Absender und der Eingangszeitpunkt der Nachricht einsehbar; der Betreff, der Text und die Anhänge der Nachricht sind es hingegen nicht (§ 19 Abs. 1 Satz 2f StBPPV). Der Abwickler verfügt daher nur über einen sehr beschränkten Zugang zu den Nachrichten im beSt. Den Inhalt der Nachrichten kann er nur einsehen und fachlich prüfen, wenn er mit den jeweiligen Absendern Kontakt aufnimmt, diese über seine Bestellung zum Abwickler unterrichtet und darum bittet, dass die Dokumente noch einmal direkt an sein beSt übersandt werden. (Weitere Hinweise finden sich in dem Merkblatt „Merkblatt für Praxisabwickler für den Umgang mit dem beSt und der VDB der abzuwickelnden Kanzlei“ www.bstbk.de.)

h. Abwicklung Zahlungsverkehr

Der Praxisabwickler hat bei Beginn seiner Tätigkeit das Geschäftskonto des früheren Beraters zu übernehmen oder ein (Einzel-)Anderkonto als Treuhandkonto für die Erben oder für den ehemaligen Berufsträger einzurichten. Die „Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Angehörigen der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (Treuhänder)“, abgedruckt im Berufsrechtlichen Teil des Berufsrechtlichen Handbuchs unter 5.3.1., sind zu beachten. Alle den Abwicklungszeitraum betreffenden Geschäftsvorgänge sind über ein eigens für die Abwicklung eingerichtetes Konto (z. B. Anderkonto) oder über das Geschäftskonto des früheren Beraters abzuwickeln.

Unterhielt bereits der verstorbene Steuerberater Treuhänder-/Anderkonten, wird im Falle seines Todes die zuständige Berufskammer oder die von ihr bestimmte Person Kontoinhaber, bis die zuständige Berufskammer einen Abwickler bestellt hat (Nr. 11 der Sonderbedingungen). Dieser übernimmt die Kontoinhaberschaft kraft Amtes.

Eine Verfügungsbefugnis über das Geschäftskonto des Verstorbenen wird von den Banken nicht in jedem Fall eingeräumt – insbesondere dann nicht, wenn das Konto zusätzlich privat genutzt wurde. Zur Erlangung der Verfügungsbefugnis müssten der ehemalige Berufsangehörige oder die Erben zustimmen. Wird die Verfügungsbefugnis durch den Abwickler nicht oder nicht zeitnah erlangt und wird davon ausgegangen, dass Fremdgelder auf dem Konto eingehen, sollte die Bank dringlich auf diese Fremdgeldproblematik hingewiesen werden. Es muss der Bank deutlich gemacht werden, dass eingehendes Fremdgeld nicht von dem ehemaligen Steuerberater oder dessen Erben abgehoben werden darf. Befindet sich das Geschäftskonto bereits im Minus, ist eine Sperrung des Kontos zu fordern. Entsprechende Weisungen gegenüber der Bank sollten sorgfältig dokumentiert werden. 
 

i. Anmietung von Büroräumen

Mieter, und damit zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet, sind entweder die Erben oder der ausgeschiedene Steuerberater. Dem Abwickler selbst stehen insoweit keine Befugnisse und insbesondere keine Gestaltungsrechte zu. Der Vermieter kann insoweit auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Werden die Büroräume für die Tätigkeit als Abwickler nicht benötigt, kann der Abwickler seine Tätigkeit auch von seiner eigenen Steuerberaterpraxis aus erledigen. Der Praxisabwickler hat bei seinem Vorgehen die Frage der Kostendeckung und Realisierbarkeit seiner Forderungen zu berücksichtigen. Sollen die Büroräume längerfristig (zur Fortführung der Praxis) genutzt werden können und zahlen entweder die Erben oder der ausgeschiedene Steuerberater die Miete nicht, kann der Abwickler nach Maßgabe des Auftragsrechts (§§ 662 ff. BGB) die Nutzungsentschädigung, die er aufwenden muss, um die Räume weiter nutzen zu können, als Aufwendungen gegenüber den Erben oder gegenüber dem ehemaligen Steuerberater geltend machen. 

j. Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse

Mit dem Tod des Praxisinhabers treten die Erben in die bestehenden Arbeitsverhältnisse als Rechtsnachfolger ein und werden neue Vertragspartner der Mitarbeiter. Im Falle des Erlöschens, der Rücknahme oder des Widerrufs der Bestellung bleibt der ehemalige Steuerberater Vertragspartei. Allerdings können die Arbeitsverhältnisse aus betrieblichen Gründen je nach Einzelfall von den Erben bzw. dem ausgeschiedenen Steuerberater ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden. Der Praxisabwickler tritt somit nicht in die Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB ein und haftet nicht für ausstehende Löhne und Gehälter. Zur Zahlung der Personallöhne bleiben der ehemalige Steuerberater oder die Erben verpflichtet. Kommen diese ihrer Verpflichtung nicht nach, kann der Abwickler die Personalkosten verauslagen und gegenüber dem ehemaligen Steuerberater oder den Erben als Aufwendungen geltend machen. Soweit eine Beschäftigung neuer Mitarbeiter für die Dauer der Praxisabwicklung erforderlich ist, müssen neue Arbeitsverhältnisse zwischen den Erben bzw. dem ehemaligen Steuerberater und den (freien) Mitarbeitern abgeschlossen werden. Hilfsweise kann der Praxisabwickler unter Beachtung der Kosten und des Datenschutzes auch eigene Mitarbeiter oder Fremdfirmen (notwendige Entrümpelungen, Aktenvernichtung) einsetzen.

Bestehen noch Ausbildungsverhältnisse, sollen die Auszubildenden – gegebenenfalls unter Einschaltung der Steuerberaterkammer – weitervermittelt oder selbst übernommen werden.

Der Abwickler muss die Mitarbeiter der Praxis darüber belehren, dass die Abwicklung nicht zu einem Wegfall der Berufspflichten, insbesondere nicht zu einem Wegfall der Verschwiegenheitspflicht, führt.
 

k. Aufbewahrung von Daten und Unterlagen

Der Steuerberater hat die Handakten (Daten und Unterlagen) für die Dauer von zehn Jahren nach Beendigung des Auftrags aufzubewahren (§ 66 Abs. 1 Satz 2 StBerG). Es besteht die Möglichkeit, diese Zeit abzukürzen und die Mandanten unter Fristsetzung zur Entgegennahme der Handakten aufzufordern (§ 66 Abs. 2 Satz 3 StBerG). Die Mandanten sollten dabei auf die nach § 147 AO zu beachtenden Fristen hingewiesen werden.

Das Recht, die Mandanten zur Entgegennahme der Handakten aufzufordern, geht bei Bestellung eines Praxisabwicklers auf diesen über. Der Abwickler sollte versuchen, möglichst alle Daten und Unterlagen an die Mandanten herauszugeben. Die für eine Fristverkürzung notwendige Aufforderung zur Entgegennahme der Handakte muss nachgewiesen werden. Einem Bestreiten sollte durch einen Zustellungsnachweis vorgebeugt werden. Ist der Mandant nicht erreichbar, sind weitere Ermittlungen erforderlich, z. B. eine Nachfrage bei der Meldebehörde. Bleibt der Auftraggeber unerreichbar, muss die zehnjährige Aufbewahrungsfrist eingehalten werden. 

Die verbliebenen Daten und Unterlagen sind von dem ehemaligen Steuerberater oder dessen Erben aufzubewahren und nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist ordnungsgemäß zu vernichten. Der Abwickler ist grundsätzlich nicht für die Aufbewahrung der Daten und Unterlagen verantwortlich. Eine gesetzliche Pflicht, die Daten und Unterlagen eines ehemaligen oder verstorbenen Steuerberaters zu übernehmen, besteht für die Steuerberaterkammern nicht.

Gemäß § 203 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StGB unterliegen die Erben wie der verstorbene Steuerberater selbst der Verschwiegenheitspflicht. Schweigepflichtig gem. § 203 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StGB ist jeder, der das Geheimnis aus dem Nachlass des Steuerberaters aufgrund wirklicher oder vermeintlicher Rechte erlangt hat. Die Erben würden sich demnach strafbar machen, wenn sie gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen würden (MüKoStGB/Cierniak/Niehaus, 4. Aufl. 2021, StGB § 203 Rz. 168; BeckOK StGB/Weidemann, 56. Ed. 1.2.2023, StGB § 203, Rz. 49). Die Schweigepflicht trifft neben den Erben auch andere Erbschaftsbesitzer (Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 203 Rz. 107). So ist auch ein Vermieter, in dessen Räumlichkeiten die Handakten lagern, zur Verschwiegenheit verpflichtet, da er als Erbschaftsbesitzer Kenntnis von den Akten und ggf. deren Inhalt erlangt.

Nur wenn keine Erben vorhanden sind, muss sich der Praxisabwickler als Erbschaftsbesitzer um die Altakten kümmern. Sind Erben vorhanden, können diese mit dem Praxisabwickler – sofern dieser dazu bereit ist – vereinbaren, dass der Praxisabwickler die Unterlagen bis zum Ende der Aufbewahrungspflicht aufbewahrt und dann vernichtet.

In jedem Fall ist die Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu beachten, sodass die Unterlagen und Datenträger, etwa durch Verschluss und/oder Versiegelung, vor unberechtigter Einsichtnahme durch Unbefugte zu schützen sind.
 

l. Umsatzsteuerliche Pflichten des Abwicklers

Gemäß Urteil des BFH vom 29. April 2020 (XI R 18/19; DStRE 2020, 1192) ist ein Kanzleiabwickler Vermögensverwalter i. S. d. § 34 Abs. 3 AO. Die Verfügungsbefugnis ist auf den Teilbereich des Vermögens des von der Abwicklung Betroffenen begrenzt. Der Abwickler hat daher – soweit seine Vermögensverwaltung reicht – die steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Neben den Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten ist er deshalb insbesondere zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen und der Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, die sich aus Umsätzen aufgrund der abgewickelten Mandate ergeben. Dies betrifft die Eingangs- und Ausgangsumsätze, die der Abwicklung unterliegen.

Es ist zu empfehlen, bei Übernahme der Praxisabwicklung beim zuständigen Finanzamt die Erteilung einer neuen Steuernummer für die Abgabe der Voranmeldungen und der Umsatzsteuererklärungen für die abzuwickelnde Kanzlei zu beantragen.
 

4. Haftung

Nach den Besonderen Versicherungsbedingungen und der Risikobeschreibung für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Angehörigen des steuerberatenden Berufs (BBR-S) ist die Tätigkeit als Praxisabwickler mitversichert. Diese Mitversicherung besteht aber in dem Umfang nicht, in dem der mitversicherte Praxisabwickler durch eine eigene Versicherung Deckung erhält (A 1a BBR-S). Für den Fall, dass mit der Abwicklung zusätzliche Risiken verbunden sind, kann der Praxisabwickler entweder mit der Versicherung eine Erhöhung der Versicherungssumme vereinbaren oder aber eine eigene Objektversicherung abschließen. Die hierfür zu entrichtende zusätzliche Prämie kann den Erben bzw. dem ehemaligen Steuerberater als Aufwendungsersatz in Rechnung gestellt werden. Gemäß § 117 Abs. 2 VVG endet die Leistungspflicht der bisherigen Berufshaftpflichtversicherung der abzuwickelnden Praxis gegenüber Dritten erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle (hier der Steuerberaterkammer) angezeigt hat.

Die bisherige Versicherung haftet gegenüber Dritten bis zu der Mitteilung der Versicherungsgesellschaft im bisherigen Umfang weiterhin für auch in der Zeit der Praxisabwicklung entstandene Schäden, bevor die eigene Berufshaftpflichtversicherung des Abwicklers greift. Es besteht jedoch Leistungsfreiheit unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 Satz 2 VVG, soweit der Dritte Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer erlangen kann. 

Weitere Ausführungen finden sich in den „Hinweisen der Bundessteuerberaterkammer zur Berufshaftpflichtversicherung“ (abrufbar unter www.berufsrecht-handbuch.de).
 

5. Vergütung des Praxisabwicklers

Der ausgeschiedene Steuerberater bzw. dessen Erben sind verpflichtet, dem Abwickler eine angemessene Vergütung zu zahlen, für die Sicherheit zu leisten ist, wenn die Umstände es erfordern (§§ 70 Abs. 5, 69 Abs. 4 Satz 4 StBerG). Es empfiehlt sich, hinsichtlich des Vergütungsanspruchs und des Aufwendungsersatzes eine Vereinbarung mit den Erben bzw. dem ehemaligen Steuerberater zu treffen.

Da die Vertragspartner des Praxisabwicklers üblicherweise keine Steuerberater sind, empfiehlt es sich, die vertragliche Regelung an den Gesetzeswortlaut anzulehnen. Es bestehen auch keine Bedenken, den Vertragsbeteiligten diese Hinweise zum besseren Verständnis zugänglich zu machen.

Zur Sicherstellung seines Vergütungsanspruchs sollte der Praxisabwickler vor Aufnahme seiner Tätigkeit grundsätzlich einen angemessenen Vorschuss fordern. Auch empfiehlt sich eine vorherige gemeinsame Inaugenscheinnahme durch einen Vertreter der Steuerberaterkammer und den Praxisabwickler, um den voraussichtlichen arbeitsmäßigen und finanziellen Umfang der Abwicklung abzuschätzen.

Können sich die Beteiligten über die Höhe der Vergütung oder über die Sicherheit, die geleistet werden soll, nicht einigen oder wird die geschuldete Sicherheit nicht geleistet, setzt die Steuerberaterkammer auf Antrag des Praxisabwicklers, der Erben oder des ausgeschiedenen Steuerberaters die Vergütung fest. Für die festgesetzte Vergütung haftet die Steuerberaterkammer wie ein Bürge (§ 70 Abs. 5 i. V. m. § 69 Abs. 4 Satz 7 StBerG). Für sonstige Auslagen, wie z. B. Miete, Lagerkosten, haftet die Steuerberaterkammer dagegen nicht. 

Die Frage, welche Vereinbarung bezüglich der Vergütung getroffen werden soll, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und der beruflichen Erfahrung des Praxisabwicklers. (Rechtsprechungsübersicht zu den vielfältigen Gestaltungen in Kuhls u. a., Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 4. Auflage Vorbem. zu §§ 69 – 71, Rz. 34 ff.; zuletzt BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2022, AnwZ (Brfg) 16/22)

Die Vergütung des Praxisabwicklers ist umsatzsteuerpflichtig. Auch wenn es sich bei der Bestellung des Praxisabwicklers um einen öffentlich-rechtlichen Akt handelt, wird der Praxisabwickler aufgrund eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses mit den Erben bzw. dem ehemaligen Steuerberater tätig (§§ 675, 611 f. BGB). Es handelt sich somit nicht um eine steuerfreie ehrenamtliche Tätigkeit für die Steuerberaterkammer im Sinne des § 4 Nr. 26 UStG.
 

6. Dokumentation der Tätigkeit

Der Abwickler sollte aufgrund seiner Auskunfts- und Rechenschaftspflichten dokumentieren, welche Maßnahmen und Arbeiten von ihm im Rahmen der Abwicklung vorgenommen bzw. ausgeführt wurden. Es kann u. U. angebracht sein, Fotos von den Kanzleiräumen zum Zeitpunkt der Übernahme anzufertigen. Es ist im Hinblick auf die Berechnung der Vergütung der Zeitaufwand nachzuweisen und dabei die jeweilige Bearbeitung der Mandantenangelegenheiten im Einzelnen zu beschreiben. Die Steuerberaterkammer kann Sachstandsberichte bzw. Dokumentationen (z. B. Situation vor Ort ggf. durch Fotos, Anzahl der Mandate, Gegenstand der Tätigkeit, Zeitaufzeichnungen, finanzielle Situation) über die Tätigkeit des Praxisabwicklers anfordern. 

7. Insolvenz im Rahmen der Praxisabwicklung

Wenn über das Vermögen des ehemaligen Berufsangehörigen bzw. der abzuwickelnden Berufsausübungsgesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, treten die Regelungen des StBerG zur Abwicklung mit denen der Insolvenzordnung (InsO) in Konkurrenz. Auch wenn dieses Konkurrenzverhältnis nach der Rechtsprechung grundsätzlich zugunsten des Abwicklers aufzulösen ist, hat der Abwickler im Spannungsfeld zwischen ihm und dem Insolvenzverwalter auf der einen Seite und der abzuwickelnden Kanzlei (Insolvenzschuldner) auf der anderen Seite aufgrund der überschneidenden Zuständigkeiten verschiedene Besonderheiten und zusätzliche Herausforderungen zu beachten, von denen einige wesentliche im Folgenden dargestellt werden.

a)    Allgemeine Abgrenzungsfragen

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines (ehemaligen) Steuerberaters berührt nicht die Rechtsstellung des für diesen amtlich bestellten Abwicklers (LG Rostock, Urteil vom 13. Dezember 2001, 4 O 180/00). Auf Begründung, Durchführung und Führung des jeweiligen Mandats kann und darf der Insolvenzverwalter keinen Einfluss nehmen. In der Kommentarliteratur herrscht im Wesentlichen Einvernehmen darüber, dass regelmäßig ein öffentlich-rechtlicher Überhang zugunsten des Abwicklers besteht, vgl. Kuhls, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 4. Auflage, § 70 StBerG, Rz. 50 ff.; Kruth, Kanzleiabwicklung im Insolvenzverfahren – Funktionen, Befugnisse und Rang der Vergütungsansprüche, DStR 2020, S. 1340; Tauchert/Schulze-Grönda, BRAK-Mitt. 3/2010, S. 116. Der Praxisabwickler hat kraft seines Amtes weitgehende Verfügungsbefugnisse (siehe § 70 Abs. 3, 5 und 6 i. V. m. § 69 Abs. 2 und 4 StBerG), die mit den Aufgaben des Insolvenzverwalters z. T. kollidieren können, dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des ehemaligen Berufsangehörigen gemäß § 80 InsO übertragen ist. Es ist anerkannt, dass die Befugnisse des Praxisabwicklers aufgrund seiner unabhängigen Stellung in dem ihm durch das StBerG zugewiesenen Bereich die des Insolvenzverwalters überlagern, soweit Verfügungen über das Kanzleivermögen erforderlich sind, um die Mandate des ehemaligen Steuerberaters ordnungsgemäß weiterzuführen.

Da die meisten Insolvenzverwalter mit den Besonderheiten (der Abwicklung) einer Steuerberaterkanzlei nicht vertraut sind, sollte der Abwickler frühzeitig gegenüber dem Insolvenzverwalter auf seine weitgehenden gesetzlich verankerten Besitzrechte und Ansprüche hinweisen. 

b)    Postvollmacht des Abwicklers, Postsperre

Unabhängig von eventuell bestehenden Zustellungsvollmachten, die auf den Abwickler übergegangen sind, sind Postsendungen in den laufenden Angelegenheiten und den typischen steuerrechtlichen und vereinbaren Tätigkeiten unbestritten Gegenstände, die zur Kanzlei gehören und die zur Aufgabenerfüllung des Abwicklers unabdingbar sind.

Macht der Insolvenzverwalter in schwierigen Fällen von der Möglichkeit Gebrauch, eine Postsperre beim Gericht zu beantragen (§ 99 InsO), dürfte der Praxisabwickler trotzdem Anspruch auf die Postsendungen haben, die nicht die Masse sondern die konkreten Mandate betreffen. 

c)    Verfügungsrechte bezüglich der Kanzleiräume und -ausstattung

Über die Mietverhältnisse der Praxisräume ist der Insolvenzverwalter entscheidungsbefugt. Der Abwickler muss daher zeitnah entscheiden, inwieweit er die Räume und die darin befindliche Ausstattung noch zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt und dies dem Insolvenzverwalter mitteilen. Eventuell dadurch entstehende Kosten, die etwa durch die Weiterführung von Miet-, Leasingverträgen und anderen Verträgen verursacht werden, sind notwendige Kosten der Abwicklung. Sie können mit den Einnahmen aus der Praxisabwicklung verrechnet werden, soweit vorhanden. 

d)    Inbesitznahme der Daten und Unterlagen des Mandanten 

Daten und Unterlagen sind für die Führung des Mandats durch den Abwickler unverzichtbar, daher stehen diese primär dem Abwickler zu. Hat der Insolvenzverwalter von seinem Verfügungsrecht bereits Gebrauch gemacht und Handakten von Mandanten in Besitz genommen, steht dem Abwickler ein Herausgabeanspruch gegen den Insolvenzverwalter zu (vgl. Tauchert/Schulze-Grönda, BRAK-Mitt. 3/2010, S. 116). Die Entscheidung darüber, welche Handakten für die Durchführung der Abwicklung erforderlich sind, steht dabei ausschließlich dem Abwickler zu.

Sind die Handakten teilweise oder vollständig noch im Besitz des Schuldners und widersetzt sich dieser der Herausgabe, kann der Insolvenzverwalter aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses mithilfe eines Gerichtsvollziehers die Herausgabe erzwingen (Beschlagnahme). Da lediglich der Abwickler in der Lage sein wird, die Handakten fachlich zu identifizieren und anhand des Umfangs und des Inhalts die Relevanz für eine Abwicklung zu beurteilen, sollte an einer entsprechenden Durchsuchung neben dem Insolvenzverwalter und dem Gerichtsvollzieher in jedem Fall auch der Praxisabwickler teilnehmen und sich im Anschluss an die Beschlagnahme die Unterlagen vom Insolvenzverwalter aushändigen lassen. 

e)    Vermeidung oder Rückgängigmachung von Kündigungen der für die Abwicklung wesentlichen Verträge

In der Regel machen Insolvenzverwalter von ihrem Wahl- und insolvenzspezifischen Sonderrechten zur Vertragsbeendigung nach §§ 103 – 119 InsO zur Kündigung von Verträgen des Schuldners Gebrauch. Das kann Leasingverträge, Nutzungsverträge, Mietverträge oder Arbeitsverträge betreffen. 

Der Abwickler sollte dem Insolvenzverwalter daher möglichst frühzeitig anzeigen, welche Verträge zur Durchführung seiner Abwicklungstätigkeiten unbedingt erforderlich sind und deswegen bis auf Weiteres weitergeführt werden müssen. Wenn die Nutzung von EDV, Räumen, Personal, etc. für die Aufgabenerfüllung des Abwicklers notwendig und erforderlich sind, wird der Insolvenzverwalter eine entsprechende Vereinbarung auch treffen müssen, da er die Arbeit des Abwicklers nicht behindern darf.

Da in Fällen des Vermögensverfalls Verbindlichkeiten der Kanzlei häufig über einen längeren Zeitraum nicht beglichen wurden, erfolgen Kündigungen nicht selten vonseiten der Dienstleister aufgrund von entsprechenden Vertragsklauseln. In einem solchen Fall sollte mit dem Insolvenzverwalter erörtert werden, ob solche insolvenzbedingten Lösungsklauseln des Vertragspartners ggf. unwirksam sind, vgl. § 119 InsO.

f)    Vergütungsansprüche 

Der Abwickler darf Vergütungsansprüche der abzuwickelnden Kanzlei im eigenen Namen geltend machen. Für die Geltendmachung zu Beginn der Abwicklung bereits entstandener und fälliger Vergütungsansprüche ist der Abwickler aktivlegitimiert (vgl. Kleemann in Kuhls, 3. Auflage, zu § 70 StBerG, Tz 14); die Legitimation zur Geltendmachung von nach Abwicklungsbeginn entstehender Vergütungsansprüche ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz: §§ 70 Abs. 3, 70 Abs. 5 i. V. m. § 69 Abs. 4 StBerG. Er hat diese geltend zu machen, wenn – wie in Insolvenzfällen üblich – die zuständige Steuerberaterkammer die Vergütungen des Abwicklers im Kostenfestsetzungsverfahren festgelegt hat und daher wie ein Bürge hierfür haftet (§§ 70 Abs. 5, 69 Abs. 4 Satz 7 StBerG). Der Praxisabwickler kann während seiner Amtszeit Vergütung und Auslagen für seine Tätigkeit aus dem seiner Verwaltung unterliegenden Praxisvermögen entnehmen und also mit den durch die Abwicklung erwirtschafteten Einnahmen aufrechnen. Eine solche Aufrechnung ist gemäß § 95 Satz 1 InsO zulässig. Der Insolvenzverwalter hat gegen den Praxisabwickler einen Anspruch auf Herausgabe des aus der Tätigkeit Erlangten, kann diesen aber in der Regel erst mit Ende der Abwicklung geltend machen, es sei denn, es würden Überschüsse erwirtschaftet, die offensichtlich nicht mehr für die weitere Abwicklung benötigt werden. Nach Abschluss der Praxisabwicklung muss der Praxisabwickler übrig gebliebene Gelder an den Insolvenzverwalter auskehren. 

Dem Praxisabwickler steht im Insolvenzverfahren kein vorrangiger Vergütungsanspruch im Rang einer Masseverbindlichkeit zu. Die §§ 54, 55 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO oder § 324 Abs. 1 Nr. 4, 6 InsO können nicht analog angewandt werden (BGH, 28. November 2019 – IX ZR 239/18, DStRE 2020, 629; ausführliche Besprechung: Kruth, Kanzleiabwickler im Insolvenzverfahren – Funktionen, Befugnisse und Rang der Vergütungsansprüche, DStR 2020, 1340).

Bis zum Urteil des BGH entsprach es übereinstimmender obergerichtlicher Rechtsprechung, dass der Vergütungsanspruch im Insolvenzverfahren eine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit darstellt (siehe auch Kleemann in Kuhls u. a., Kommentar zum StBerG, 3. Auflage, § 70 Rz. 15). Auch wenn das o. g. Urteil des BGH in einer Anwaltssache erging, hat sich damit die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung auch zugunsten der Steuerberater-Praxisabwickler leider erledigt.

g)    Einrichten eines Abwicklerkontos/Treuhandkontos

Die Verfügungsbefugnis über die Geschäftskonten der abzuwickelnden Steuerberaterkanzlei fällt unmittelbar in den Aufgabenbereich des Abwicklers, gleichzeitig aber auch in den Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters. Gehen auf bisherigen Geschäftskonten Zahlungen ein oder hat der Abwickler über diese Geschäftskonten Zahlungen eingezogen, so stehen diese dem Abwickler für die Abwicklung zur Verfügung. Transferiert der Insolvenzverwalter ohne Zustimmung des Abwicklers solche Geldguthaben auf sein Anderkonto, steht dem Abwickler gegen den Insolvenzverwalter ein Herausgabeanspruch zu.

Um solche Auseinandersetzungen zu vermeiden und auch um möglichen Pfändungen zuvorzukommen, sollte der Abwickler sehr zeitnah nach seiner Bestellung bei einem Kreditinstitut – soweit noch nicht vorhanden – ein Treuhandkonto für Zwecke der Abwicklung einrichten und bereits in seinem ersten Informationsschreiben an die Mandanten explizit darauf hinweisen, dass Zahlungen auf die bisherigen Geschäftskonten der abzuwickelnden Steuerberaterkanzlei im Zweifel keine befreiende Wirkung haben, auf das Treuhandkonto jedoch mit befreiender Wirkung geleistet werden können. 

Es bietet sich darüber hinaus an, mit dem Insolvenzverwalter möglichst frühzeitig eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass lediglich der Abwickler Vergütungsansprüche aus Mandatsverhältnissen geltend macht und das Inkasso von Vergütungsforderungen betreibt. So kann nur er den tatsächlichen Hintergrund, den Umfang, die Berechtigung und die Berechnung von Vergütungsforderungen aus Kanzleileistungen beurteilen, was schließlich auch für die Insolvenzmasse vorteilhaft sein dürfte. Dem Insolvenzverwalter als Verwaltungsbefugtem steht zwar grundsätzlich das durch die Abwicklung Erlangte zu, allerdings erst nach Befriedigung der Vergütungs- und Auslagenansprüche des Abwicklers (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 – IX ZR 139/04, ZIP 2005, 1742, 1743).

h)    Auskunfts- und Rechenschaftspflicht

Im Hinblick auf seine Abwicklungstätigkeiten ist der Abwickler sowohl gegenüber dem (ehemaligen) Steuerberater oder dessen Gesamtrechtsnachfolger als auch gegenüber dem Insolvenzverwalter rechenschafts- und auskunftspflichtig. Eine entsprechende Rechnungslegung ist schon allein deswegen erforderlich, da der Abwickler den Betrag an den Insolvenzverwalter nach Beendigung der Abwicklung auszukehren hat, der als Überschuss des Erlangten nach Abzug der notwendigen Auslagen und der angemessenen Vergütung des Abwicklers verbleibt.

8.    Weitere Problembereiche

In der Praxisabwicklung können auch immer wieder neue, vorstehend nicht genannte Probleme auftauchen. Es empfiehlt sich in solchen Fällen immer, den Kontakt mit der zuständigen Steuerberaterkammer zu suchen.