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Berufsrechtliches Handbuch

Stand: August 2024


5.1.8 Hinweise* für die Tätigkeit des Steuerberaters als Insolvenzverwalter

Beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am 13. und 14. April 2021.

* Die Hinweise haben einen unverbindlichen Charakter. Sie sollen zu bestimmten Sachverhalten oder Problemkreisen Anregungen zu eigenverantwortlichen Lösungen geben und somit die Praxisarbeit unterstützen.
 

1. Vorbemerkungen

Die Insolvenzverwaltung ist eine vereinbare Tätigkeit nach § 57 Abs. 3 Nr. 2 und 3 StBerG i. V. m. § Nr. 9 BOStB. Ebenso ist die Tätigkeit als Verfahrenskoordinator bei „Konzerninsolvenzen“ gem. § 269e InsO eine vereinbare Tätigkeit.

Im Übrigen sind die „Allgemeinen Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Ausübung vereinbarer Tätigkeiten“ die „Hinweise für die Tätigkeit des Steuerberaters als Sanierungsmoderator und Restrukturierungsbeauftragter nach dem StaRUG“, die Hinweise als Sanierungs- und Insolvenzberater, als Insolvenzverwalter sowie als Sachwalter (vgl. Berufsrechtliches Handbuch, II. 5.1.1, 5.1.27,5.1.3, 5.1.8 und 5.1.20)  zu beachten.

2. Voraussetzungen

a) Persönliche Voraussetzungen

Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter erfordert besondere betriebswirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse sowie solche im Zusammenhang mit der Abwicklung und Fortführung eines Unternehmens in der Krise. Unabdingbar für die Übernahme des Amts als Insolvenzverwalter sind vor allem einschlägige Kenntnisse des Insolvenzrechts (im weitesten Sinne der Begrifflichkeit insbesondere Insolvenzordnung, Anfechtungsgesetz, Zwangsversteigerungsgesetz, Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG). Da in diesen Gesetzen u. a. die Besonderheiten des Verfahrens geregelt sind, die teilweise erheblich von den allgemeinen Vorschriften des Zivil- und Zivilprozessrechts abweichen. Zudem muss der als Insolvenzverwalter tätige Steuerberater über kaufmännische, arbeits- und gesellschaftsrechtliche Spezialkenntnisse verfügen.

b) Sonstige Voraussetzungen

Grundlage für die Ernennung als (vorläufig oder endgültig bestellter) Insolvenzverwalter ist in der Regel zunächst die vorherige Erfassung des Steuerberaters in den „Insolvenzverwalterlisten“ der Insolvenzgerichte (vgl. § 56 InsO). Durch die Aufnahme in diese Liste wird aber noch kein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Zuteilung eines Verfahrens begründet. So hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 23. Mai 2006, 1 BvR 2530/04) einem Mitbewerber um das Insolvenzverwalteramt Rechtsschutz gegen die Bestellung eines Konkurrenten zum Insolvenzverwalter mit der Begründung versagt, dass die Interessen der Gläubiger und der Schuldner an einem zügigen und komplikationslosen Ablauf des Insolvenzverfahrens Vorrang gegenüber den Interessen eines Prätendenten haben. Gleiches gilt für die Bestellung des Verfahrenskoordinators bei Konzerninsolvenzen (vgl. § 269f Abs. 3 InsO).

Schlägt das Gremium des vorläufigen Gläubigerausschusses einstimmig eine bestimmte Person zum Verwalter vor, so darf das Gericht von dem Vorschlag nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Wird die Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO aufgehoben, kann der bisherige Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt werden (§ 272 Abs. 3 InsO).

Insolvenzantragsverfahren sind gerichtliche Eilverfahren. Die Aufnahme einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter unterliegt daher besonderen Voraussetzungen für die Eilbedürftigkeit. Hierfür muss bei Übernahme des Amtes entsprechendes Personal und eine spezielle Logistik in den Kanzleien vorgehalten werden, um den Anforderungen im Zusammenhang mit der sofortigen Massesicherung und der möglichst schnellen und exakten Feststellung der Lage des Unternehmens gerecht werden zu können.

Die übliche, von den Insolvenzgerichten erwartete Tabellensoftware sollte zum elektronischen Datenübertrag in der jeweils aktuellen Version in den Kanzleien vorgehalten werden. Zu beachten sind auch die sich ändernden Anforderungen an die elektronischen Kommunika-tionswege (EGVP-konform) mit den Gerichten.

Viele Insolvenzgerichte erwarten eine Zertifizierung der Organisation des Verwalters, gegebenenfalls auch nach den GOI („Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung des VID e. V.“).
 

3. Tätigkeitsbeschreibung/Rechte und Pflichten

Der Insolvenzverwalter entscheidet nach seiner Bestellung – ausgehend von der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldungssituation – über die Fortführung bzw. die Liquidation des Unternehmens. Er setzt die jeweilige Alternative um. Er hat dabei sämtliche kaufmännischen, handels- und arbeitsrechtlichen sowie steuerrechtlichen Pflichten eines Unternehmers sowie die speziellen Pflichten und Rechte als Insolvenzverwalter zu erfüllen.

a) Rechenschafts- und Dokumentationspflichten

Der Insolvenzverwalter ist gegenüber dem Gericht, den Gläubigern in der Gläubigerversammlung und – falls eingesetzt – gegenüber dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss rechenschaftspflichtig. In der Regel ist dem Insolvenzgericht halbjährlich ein schriftlicher Bericht vorzulegen und mit dem Schlussbericht eine statistische Meldung (§ 4a Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzstatistikgesetz InsStatG). In Zusammenhang mit den Rechenschaftspflichten treffen den Insolvenzverwalter besondere Aufzeichnungspflichten, vor allem hinsichtlich der durch ihn vorgenommenen Einnahmen und Ausgaben. Diese wiederum bilden die Grundlage für steuerliche Jahresabschlüsse und Steuererklärungen, soweit der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, diese für den Insolvenzschuldner zu erstellen (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO). Auch Abstimmungen mit Gläubigern und Schuldnern sind zur transparenten Nachprüfbarkeit zu dokumentieren.

b) Unabhängigkeitsanforderungen

Der Insolvenzverwalter hat während des gesamten Insolvenzverfahrens darauf zu achten, dass seine Unabhängigkeit im Verhältnis zu den Gläubigern, den Schuldnern, den Arbeitnehmern bzw. den Arbeitnehmervertretern sowie dem früheren Management des Unternehmens gewahrt bleibt. Der laufend seinen Mandanten beratende Steuerberater scheidet mangels Unabhängigkeit als Insolvenzverwalter seines Mandanten aus (§ 56 InsO i. V. m. § 57 Abs. 1 StBerG i. V. m. § 6 BOStB).

c) Anforderungen im Zusammenhang mit der Verfahrensdauer

Der Insolvenzverwalter muss sich vor der Annahme des Amts darüber bewusst sein, dass sich das Insolvenzverfahren über Jahre hinziehen kann. So müssen bspw. beim Verbraucherinsolvenzverfahren die Voraussetzungen für die Verwaltung der Gläubigermittel für die Dauer von bis zu fünf Jahren gegeben sein (§ 287 Abs. 2 Satz 2 InsO).

d) Besonderheiten bei „Konzerninsolvenzen“

Insolvenzverwalter gruppenangehöriger Schuldner sind zur Zusammenarbeit verpflichtet (§ 269a InsO). Die Aufgaben und Rechtsstellung als Verfahrenskoordinator ergeben sich aus §§ 269e, 269f InsO.

e) Berufsrechtliche Besonderheiten

Neben den allgemeinen Berufspflichten (siehe hierzu schon die „Allgemeinen Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Ausübung vereinbarer Tätigkeiten“ unter 2., Berufsrechtliches Handbuch, II. 5.2.1) ist hier zu beachten, dass es dem Insolvenzverwalter, als einer vom Insolvenzgericht bestellten Person, erlaubt ist, Rechtsdienstleistungen im Rahmen seines Aufgaben- und Tätigkeitsgebiets zu erbringen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 RDG).

Übernimmt der Steuerberater im Rahmen der Insolvenzverwaltung auch Geschäftsführungsfunktionen, sind hier auch die Grenzen zur gewerblichen Tätigkeit zu beachten und die erforderliche Ausnahmegenehmigung der zuständigen Steuerberaterkammer einzuholen (siehe „Allgemeine Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Ausübung vereinbarer Tätigkeiten“ unter 3., Berufsrechtliches Handbuch, II. 5.2.1).
 

4. Besondere Haftungsrisiken

Für den Insolvenzverwalter gelten die Grundsätze wegen der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten nach § 274 Abs. 1 i. V. m. § 60 Abs. 1 InsO. Maßstab für die Haftung ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters. Dabei kann es zu einer Haftung gegenüber einer ganzen Reihe von Beteiligten kommen, denen gegenüber der Insolvenzverwalter nach der Insolvenzordnung verpflichtet ist, so beispielsweise gegenüber den Insolvenzgläubigern, den Massegläubigern, den Aus- und Absonderungsberechtigten oder den Mitgliedern des Gläubigerausschusses.

Daneben kommt es zu speziellen Haftungsrisiken, beispielsweise für den Fall des § 61 InsO, wenn durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters eine Masseverbindlichkeit begründet worden ist, welche aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden kann.
 

5. Haftpflichtversicherung

Der Versicherungsschutz erstreckt sich im Rahmen von Teil 3 A Ziff. 4.3 BBR-S der „Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen sowie Risikobeschreibungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Steuerberater u. a.“ (AVB-RSW) auch auf die Tätigkeit als Insolvenzverwalter, soweit diese Tätigkeit nicht überwiegend ausgeübt wird (Teil 3 B Abs. III AVB-RSW). Auch empfiehlt es sich, im Verlaufe des Verfahrens von Zeit zu Zeit die Angemessenheit der vereinbarten Absicherungen zu überprüfen.

Im Übrigen bezieht sich der Versicherungsschutz der Berufshaftpflichtversicherung nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die dadurch entstanden sind, dass der Versicherungsnehmer im Bereich eines unternehmerischen Risikos, das sich im Rahmen der Ausübung einer versicherten Tätigkeit ergibt, tätig wird. Da aber gerade der Insolvenzverwalter im Fall der Betriebsfortführung wie ein Geschäftsführer tätig wird, sind spezielle Haftungsrisiken zu berücksichtigen. Nach Möglichkeit sollte im Einvernehmen mit der Gläubigerversammlung auf deren Ausschluss hingewirkt und/oder die zusätzlichen Haftungsrisiken sollten durch eine entsprechende Haftpflichtversicherung gesondert abgesichert werden.

Mit Inkrafttreten von §§ 269 ff. InsO zum 21. April 2018 wird die Tätigkeit als Verfahrenskoordinator nicht im Rahmen der bestehenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsverträge mitversichert sein. Es wird dringend empfohlen, die Tätigkeit als Verfahrenskoordinator individuell in den bestehenden Haftpflicht-Versicherungsvertrag durch den Versicherungsträger aufnehmen zu lassen.
 

6. Abrechnung/Honorar

Für die Abrechnung der Tätigkeit als (vorläufiger) Insolvenzverwalter gilt gemäß §§ 63, 65 InsO die Insolvenzverwaltervergütungsverordnung (InsVV). Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen fest (§ 64 InsO). Werden vom als Insolvenzverwalter eingesetzten Steuerberater Leistungen wie bspw. Steuererklärungen und Jahresabschlüsse erbracht, so sind diese nach der StBVV zu vergüten und dem Verfahren in Rechnung zu stellen (§ 5 InsVV).

Die Vergütung als Verfahrenskoordinator bei „Konzerninsolvenzen“ ist in §§ 269g, 64, 65 InsO ebenfalls mittels der InsVV geregelt.